Service für Anfänger im so digitalen Zeitalter

Vor einigen Wochen rief mich mein Internet-Provider an und erklärte mir „überzeugend“, dass ich in Zukunft auf eine DE-Mail nicht mehr verzichten könne. Ich schloss also alles ab und dachte in meiner „jugendlichen Leichtsinnigkeit“, damit ist das erledigt. Doch dann bekam ich einen Anruf, dass ich einen Termin für eine persönliche Identifizierung vereinbaren müsste, an dem ich persönlich zu Hause anzutreffen sei. Der Vorschlag des Mitarbeiters war „zwischen 18 und 21 Uhr“. Ich: „Sie glauben doch nicht im Ernst, dass ich den ganzen Abend zu Hause bleibe, um DARAUF zu warten. Dienstag ist mein Fitness-Abend, wenn ich zu Hause bin.“ Wir einigten uns darauf, dass er in seinem System 18 Uhr angibt.

Prompt ereilte mich eine E-Mail-Bestätigung

…herzlichen Dank, dass Sie die Identifizierung für 1&1 beauftragt haben. Gerne geben wir Ihnen ausführliche Informationen, wie es weitergeht. Bitte beachten Sie, dass Sie diese Identifizierung für die Eröffnung Ihres De-Mail-Postfachs nutzen können (wohl eher müssen). Ein autorisierter Mitarbeiter von uns wird Sie am 19.05.2015 zwischen 18:00 und 21:00 (ich vertraute auf die vereinbarten 18 Uhr) an der vereinbarten Adresse persönlich aufsuchen. Damit die Identifizierung erfolgreich verläuft, halten Sie bitte bei diesem Termin Folgendes bereit: Ihren gültigen Personalausweis in Verbindung mit einer aktuellen Meldebestätigung (nicht älter als 3 Monate).

Das wird ja immer besser

Ich liebe es, wenn ich meine Zeit investieren soll, irgendwelche Bescheinigung von Ämtern in Städten zu besorgen. Ein Anruf bei der Hotline befreite mich nicht von diesen Regularien „gesetzlich vorgeschrieben“, und so dackelte ich zum Düsseldorfer Bürgeramt, das Gott sei Dank zu den sehr gut organisierten Bürgerämtern des Landes gehört. 45 Minuten mit An- und Abfahrt dauerte es trotzdem.

Am Dienstag war es soweit

Pünktlich um 18 Uhr saß ich in meinen Fitness-Klamotten an meinem Home-Office-Schreibtisch und wartete auf den autorisierten Mitarbeiter. Alleine er kam nicht. Er rief auch nicht an. Er schrieb auch keine SMS und auch keine Mail. Da bekommt der Satz: „Bitte denken Sie daran, dass die Identifizierung nur persönlich erfolgen kann und daher Ihre Anwesenheit erforderlich ist.“ in der Terminbestätigung noch einmal eine neue Bedeutung. SEINE ANWESENHEIT AUCH!!! Fast 4 Stunden verplemperte Lebenszeit, für die mir 1.000 bessere Dinge  eingefallen wären.

Um 21 Uhr zog ich die Fitness-Klamotten wieder aus. Die Hotline war auch nicht mehr erreichbar. Am nächsten Morgen um Punkt 08.00 Uhr tat ich meinen Unmut unmissverständlich kund und stellte klar, dass ich nicht mehr drei Stunden warten würde und 1&1 zusehen müsste, wie sie das lösen. Die Dame meinte nett aber auch eher ratlos „Ich gebe eine Reklamation ein“. Was das für mich und meine „De-Mail“ bedeutet, weiß ich nicht. Seither versuchte keiner mehr, mich zu kontaktieren, und ich glaube, eine DE-Mail habe ich auch nicht.

Wie schade

Im persönlichen Kontakt hätte so eine große Chance für Sympathie gesteckt – für das Unternehmen einer Branche, die immer weniger persönlich und zunehmend beliebig wird. Service ist Kommunikation und Kommunikation ist Service. Vor allem und ganz besonders für ein Kommunikationsunternehmen.

Nachtrag am 29.05.2015: In den letzten Tagen gab es einge Telefonate mit der Hotline, sowohl von meiner Assistentin als auch mit mir. Es ist wie “Täglich grüßt das Murmeltier”. Jedes Mal fange ich wieder von vorne an: “Sie haben es verbockt. Ich warte keinen zweiten Abend drei Stunden, und ich fahre auch nirgends hin. Sie können tagsüber in mein Büro kommen” Die Antwort: “Es gibt nur Termine zwischen 18 und 21 Uhr, und wir können keine Punkttermine machen.” Ergebnis: Null! Und ich werde die DE-Mail jetzt wieder kündigen. Und ja – falls Sie es nicht glauben können: Wir schreiben das Jahr 2015.