Service-Rituale: The same procedure as every year, James!

Ein Upgrade, ein besonderes Event, ein noch schöneres Service-Erlebnis als erwartet: Kunden lieben Überraschungen und erleben diese als Höhepunkte. Als magic moments. Das ist gut und richtig so – doch ziehen wir daraus oft einen falschen Schluss. Magische Momente müssen nicht zwingend immer überraschend sein. Etwas Neues. Sie können auch aus liebgewonnenen Gewohnheiten entstehen. Aus Ritualen.

Menschen lieben Rituale. Rituale geben uns Halt und Struktur im Leben, sie geben uns ein gutes Gefühl und Geborgenheit, sie verbinden uns mit anderen Menschen und sie ordnen unsere Biografie: Geburtstag, Schulabschluss, Jubiläum – Sie kennen das. Darüber hinaus zelebrieren wir kleinere Rituale im Familien- oder Freundeskreis, wir lieben persönliche Rituale im Jahres- und im Tagesverlauf: Schon der erste Cappuccino und die Dusche am Morgen sind ein persönliches Ritual.

Wir lieben Wiederholungen

Was oft übersehen wird: Auch im Kontakt mit Unternehmen entwickeln wir unsere kleinen Rituale. Jeder kennt die legendäre Miss Sophie, die zusammen mit ihrem Butler James jedes Jahr das genau gleiche „Dinner for One“ zelebriert. Natürlich ist diese Geschichte bis ins Komische überspitzt – das Prinzip dahinter leben wir alle aber recht ähnlich. Und es ist ja selbst zum Ritual geworden, das Ritual „Dinner for One“ zu Silvester anzusehen. Cheerio Miss Sophie! – fällt mir da gleich ein.

Ich besuche gelegentlich ein Kaufhaus in Düsseldorf. Jedes Mal winkt mir Sabine – meine Lieblingsberaterin aus der Parfümerie-Abteilung – schon von weitem zu und bietet mir direkt ein Glas Sekt an. In „meinem“ Supermarkt hat es sich so ergeben, dass mir die Verkäuferin an der Käsetheke – eine wahre Käse-Enthusiastin – en passant die Spezialität des Tages verführerisch zuruft, und dass ich mit dem Kassierer über die Payback-Karte scherze. Jedes Mal! Unvergessen bleibt mir Herr Haberl – ein Kunde, den ich vor vielen Jahren in unserer Druckerei betreute. Mit jedem Auftrag brachte er mir eine kleine Tafel Schokolade mit. Immer die gleiche Marke. Und ich kann mich darauf verlassen, dass sich mein Versicherungsfachmann jedes Jahr zu meinem Geburtstag meldet und mir einen persönlichen Polizzen-Check schmackhaft macht: „Sie machen den Kaffee, und ich bringe den Kuchen und die Polizzen mit.“

Rituale geben uns Sinn

All diese Rituale überraschen mich nicht – im Gegenteil: Ich kenne sie auswendig, ich liebe sie und ich würde sie vermissen, wenn sie nicht mehr da wären. Innovationsforscher Mario Pricken hat sich über „Die Aura des Wertvollen“ (Publicis, 2014) Gedanken gemacht. Er schreibt:

„Ein Ritual ist eine Handlung, deren Sinn über die eigentliche Handlung hinaus führt. Waren es früher spirituelle Erfahrungen, so sind es heute meist Freude, Unterhaltung, Zugehörigkeit oder Sinn, die über das Materielle eines Produktes hinausweisen sollen.“

Rituale geben uns also Sinn. Genau an dieser Stelle, so meine ich, kommt ein zweites Thema ins Spiel: Unsere Sinnlichkeit. Kennen Sie das? Sie schmecken oder riechen etwas, und in diesem Moment werden Sie an einen ganz bestimmten, emotional bedeutungsvollen Moment in Ihrem Leben erinnert. Sie haben ein klares Bild  vor Augen – und fühlen sich glücklich. So erging es mir, als ich vor wenigen Tagen im neuen Parkhotel in Nürnberg übernachtete. Ich schraubte das Duschgel auf… und war in Gedanken sofort zurück an einem wunderschönen Urlaubsort, an dem ich zufällig das gleiche, wunderbar duftende Duschgel bekommen hatte.

Sinn und Sinnlichkeit  – eine unwiderstehliche Kombination

Serviceglück schenken, kann also heißen, unsere Kunden immer wieder von neuem zu überraschen. Es kann aber auch heißen, mit unseren Kunden gemeinsame Service-Rituale zu entwickeln, die wir im Laufe der Zeit gemeinsam so lieb gewinnen, dass wir sie nicht mehr missen möchten. Wenn es uns gelingt, „Freude, Unterhaltung, Zugehörigkeit oder Sinn“ auch noch mit Sinnlichkeit zu verbinden, dann wird aus der gemeinsam erfundenen „same procedure“ eine „never ending story“. Eine magische Verbindung ganz ohne riesiges Marketingbudget.

Ich wünsche Ihnen eine glückliche Woche!

Ihre Sabine Hübner