Exzellenter Service? Warum?
Letzte Woche lud mich das RTL Extra Magazin ein, Service-Situationen in der Gastronomie zu kommentieren: Darf ein Gast eine Service-Mitarbeiterin wild anbaggern? Wie gehe ich am besten mit solchen Situationen um? Wieviel Großzügigkeit und Kulanz sind bei einer Beschwerde angebracht? Ist der Kunde König? Und was mache ich, wenn der Kunde sich nicht wie ein König benimmt? Solche Fragen samt mannigfaltigen Antworten werden per se kontrovers diskutiert. Eine Facebook-Userin schrieb mir gar, ich sollte Benimm-Seminare für Kunden anbieten.
Wer exzellenten Service leisten soll, dem schmeckt diese Aufgabe nicht immer. Mitarbeiter fühlen sich disqualifiziert, wenn sie das Wort„dienen“ hören. Denn unsere Sprache ist alt. Sie transportiert Erinnerungen an Dienstboten und Dienstmägde, an Frondienst und Arbeitsdienst. Deshalb haftet dem Wort „Dienstleistung“ so viel Schwere an. Es steht für Unfreiheit.
Aristokratie, Klerus und Adel sind zwar längst von ihren Sockeln gekippt. Trotzdem befinden sich Mitarbeiter mental oft noch in der Französischen Revolution: Wenn sie Kunden wie Könige behandeln sollen, werden sie rebellisch.
In diesen Debatten geht es häufig also gar nicht um das „WAS“ oder das „WIE“, sondern vielmehr um die Einsicht für das „WARUM?“ Ich erinnere mich an eines meiner Projekte im Gesundheitswesen. Die Stimmung bei den Mitarbeitern war nach Umstrukturierungen und Fehlentscheidungen am Tiefpunkt. Stolz auf das eigene Unternehmen? Fehlanzeige. Bereitschaft für einen ausgeprägten Servicegedanken am Patienten? Nicht vorhanden. Als ein angeschlagener Patient eine Krankenschwester fragte „Könnten Sie mir bitte die Fernbedienung reichen?“, schmetterte sie ihm ins Gesicht „Ich bin doch nicht ihr Kindermädchen“. Auflehnung gegen alles auf der ganzen Linie. Nicht gerade der ideale Nährboden für Servicekultur.
Ich sollte einen Vortrag halten und entschloss mich zu einem Experiment. Als Einstieg warf ich eine provokante Aussage auf: „Ich habe mir in den letzten Tagen Gedanken gemacht, was eigentlich passieren würde, wenn es Ihre Klinik nicht mehr gäbe?“ Und ich gab mir selbst einige Antworten: „Die Patienten würden dann einfach in die XY Klinik gehen. Die besten Mitarbeiter könnten vielleicht dort auch unterkommen. Das Gebäude würde verkauft. Ich habe mich gefragt: Was würde Ihrer Stadt ohne Sie fehlen?“
Ich hatte Glück. Die Mitarbeiter fingen an, sich beherzt zu verteidigen und ihre Antwort auf das „Warum“ selbst zu geben. Es entstand das erste zarte Pflänzchen für eine Service-Haltung.
Exzellenter Service? Die Suche nach dem Warum
Am Beginn einer jeden Zusammenarbeit mit Unternehmen zum Thema „Servicekultur“ steht also zwingend die Suche nach gemeinsamen Antworten auf das „WARUM?“
- Warum macht es überhaupt Sinn, auf Service zu setzen?
- Warum schafft Service einen Wert? Für die Mitarbeiter, die Kunden und das Unternehmen.
- Warum sollten sich die Mitarbeiter und Führungskräfte für exzellenten Service engagieren?
- Warum lohnt es sich für ein Unternehmen, in das Thema Service zu investieren?
- Warum sollten die Kunden lieber „bei uns“ kaufen als beim Wettbewerber?
- Warum ist die Serviceleistung für unsere Kunden relevant?
- …
Die Realität zeigt, König Kunde ist längst von seinem Thron abgestiegen. Er will keine gehorsamen Dienstleister mehr, die Servicevorgaben folgen wie hirn- und herzlose Roboter. Nur wenn es uns gelingt, Dienen neu zu denken, können wir zeitgemäßen Service bieten. Und mehr Erfolg haben. Dienstleistung ist heute kein Akt der Unterwerfung mehr. Im Gegenteil.
Wer dient, entwickelt Beziehungen. Dienstleistung ist heute Beziehungsarbeit. Service und Kommunikation lassen sich nicht mehr trennen. Jede Facette von Service wird von Kommunikation getragen. Je individualisierter und personalisierter Service wird, desto persönlicher muss Kommunikation sein. Marketing mit der Gießkanne funktioniert nicht mehr, Dienstleistung nach Vorschrift auch nicht. Der Kunde möchte auf Augenhöhe mit einem Unternehmen kommunizieren. Empathie in Verbindung mit Zugewandtheit und Professionalität hat eine umwerfende Wirkung – für beide Seiten.
Wer dient, schafft Werte.
Dienstleistung ist kein lästiges „Hinter-dem-Kunden-herräumen“, das Unternehmen von der eigentlichen Arbeit abhält. Dienstleistung ist die eigentliche Arbeit. Die Hochschule Mannheim konnte 2010 in ihrer Studie „Vermarktung von Serviceleistungen in der Industriegüterbranche“ zeigen, dass der Umsatzanteil von Serviceleistungen immer noch bei mageren 14,8 Prozent liegt. Dabei haben Serviceleistungen das Potenzial, nicht nur Zubrot, sondern ein wichtiges zweites Standbein zu sein.
Wer dient, gestaltet Zukunft.
In vielen Unternehmen entwickelt bereits heute der Kunde die Produkte und Services mit. So reagierte zum Beispiel Asus prompt auf Kritik an der GPS-Funktionalität eines Android-Tablet und entwickelte eine zukunftsweisende Lösung. Ohne Zuhören und Interaktion mit der Community wäre diese Innovation nicht entstanden.
Wer dient, bringt sich selbst weiter.
Sind wir in der privilegierten Lage, ein einigermaßen freies Leben führen zu dürfen, ist Dienen für uns keine Zumutung, sondern eine Chance. Es ist die Chance, den Sinn, den wir unserem Leben geben wollen, in die Tat umzusetzen. Wer jemandem einen klugen Dienst erweist, stiftet Sinn und macht sich selbst bedeutsam. Wir beeinflussen somit, wie viel Anerkennung wir erfahren. So wird Dienen ein Mittel zum Zweck.
Wer klug dient, dient am Ende immer sich selbst.
Es gibt sie, die Unternehmen, die kaum etwas tun müssen, um Kunden für neue Produkte und Kandidaten für offene Stellen zu interessieren. Warum? Es sind die Geschichten, die über das Unternehmen erzählt werden. Es ist die Mission, für die Mitarbeiter morgens gerne aufstehen und auch Strapazen in Kauf nehmen. Es ist die Tatsache, dass sie eine Antwort auf das WARUM haben.
Ja, Service geht unter die Haut, wenn er das Gefühl anspricht. Glückliche Mitarbeiter schaffen glückliche Kunden. Und glückliche Kunden machen wiederum die Mitarbeiter glücklich. Das ist die Mühe allemal wert.
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