Hilfe, Mitarbeiterpubertät!

Die ganz junge Generation, die jetzt in die Unternehmen kommt, ist eine völlig andere. Nicht, weil sie schlechter oder besser wäre, sondern weil sie grundlegend andere Erfahrungen gemacht hat.

Wenn wir im Büro alle gemeinsam am Mittagstisch sitzen, ist die jüngste Person manchmal fast 40 Jahr jünger als die älteste. Zwischen diesen Menschen liegen dann nicht nur viele Jahre – manchmal meine ich, da sitzen zwei ganz unterschiedliche Spezies. Die ältere kennen Sie zu genüge, ich konzentriere mich auf die jüngere. (Das eine oder andere Klischee mag dabei sein, aber schauen Sie sich doch um)

Viele Jüngere erlebten in ihrer Familie maximalen Freiraum. Vielleicht hatten sie sogar Helikopter-Eltern, die zwar überall schwebten, aber selten wirklich Grenzen setzten. In der Schule Unterricht auf Augenhöhe – falls überhaupt Unterricht gemacht wurde und nicht vielmehr Arbeitsblätter, Gruppenpuzzles oder Filmgucken. Dann kam die Pandemie: Monatelang dösen auf dem Sofa, weil draußen alles verboten war. Keine Partys, keine Auseinandersetzung mit Lehrern, kein Ringen um Autoritäten. Viele Menschen dieser Generation haben sich nicht abgearbeitet an strengen Eltern, an von Kindergarten oder Schule geforderter Disziplin, an Respekt und Toleranz im öffentlichen Raum. Und dann kommen sie in die Unternehmen.

Willkommen in der Mitarbeiterpubertät.

Plötzlich sind es die Teamleiterinnen und Teamleiter, die ganz grundsätzliche Dinge beibringen müssen: Guten Tag sagen (ja, mit Blickkontakt). Die Spülmaschine einräumen (nein, der Toaster kann nicht mitfahren). Eine Hose tragen (nein, keine Jogginghose). Längere Texte lesen (nein, nicht von Google vorlesen lassen, das muss auch so gehen). Ganze Sätze sprechen (ja, mit Präpositionen). Zu einer bestimmten Uhrzeit an einem bestimmten Ort erscheinen, wenn das vereinbart wurde (nein, das war kein „Vorschlag“). Telefonieren (ja, richtig mit Anrufen und dann Sprechen, nicht nur mit Emojis und Sprachnachrichten). Und die Schuhe bitte anlassen.

Viele Teamleiter, vor allem Teamleiterinnen finden sich plötzlich in einer Rolle wieder, die sie so nicht erwartet hatten: Es ist die Rolle der Second Mom. Sie sind nicht nur Führungskraft, sondern Erzieherin, Hilfstherapeutin, Coach und manchmal reichen sie Taschentücher. Sie erklären, warum Arbeitsleistung kein optionales Konzept ist, warum man Kritik nicht immer als persönlichen Angriff verstehen muss und warum professionelle Kommunikation nicht bedeutet, dem Chef ein Meme zu schicken. Sie führen an der kurzen Leine, zeigen klare Kante und… hören idealerweise genau zu.

Die Teamleiterin als „Second Mom“

Dann so nervig das auch manche empfinden: Junge Mitarbeitende bringen frischen Wind, neue Perspektiven und sie kennen und verstehen diese Zielgruppe mit den unglaublich großen Hosen, Vorne-kurz-hinten-lang-Frisuren, 1985er Fahrlehrerbrillen und einem Humor, der sich Ihnen wahrscheinlich eher nicht erschließt. Und doch ist auch das eine Zielgruppe, die für Ihr Unternehmen langfristig relevant ist oder wird – entweder intern als Mitarbeitende oder extern, als Kunden. Die Aufgabe der Teamleiterinnen und Teamleiter ist es also, diese superjungen Rohdiamanten so zu nehmen, wie sie sind und sich dann gemeinsam mit ihnen auf eine Art „Veredelung“ einzulassen. Behutsam, beharrlich, mit viel klarer, manchmal auch sehr harter Kante, mit noch mehr Geduld und Humor, und zum Schluss haben im Idealfall alle etwas davon.

Also: Willkommen in der Mitarbeiterpubertät. Es wird anstrengend. Aber auch spannend: Denn am Ende des gemeinsamen Ringens um Professionalität haben sich die jungen Menschen nicht nur selbst zum Besseren verändert, sondern womöglich auch Sie.

 

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