Empathie ist Chefsache!

Eine Arbeitsumgebung ohne Empathie formt gefühlskalte Mitarbeiter. Wenn dann noch ein gestresster Chef dazukommt, ist die Servicehölle fertig. Zum Glück gibt’s einen Weg zurück zum Kundenglück…

„Waaas!?? Das passt nicht? Das wurde doch abgemessen!“ Lautstark hatte die Sanitätshaus-Mitarbeiterin ihre Kundin angeblafft. Eine so elegante wie zerbrechliche Dame, 80 Jahre alt, mindestens. Vor allen anderen Kunden im Laden. Dabei war es um etwas sehr Intimes gegangen – um ein Stützmieder. Sie erinnern sich an die Geschichte „Servicehölle! Hölle! Hölle!“?

Die Sani-Hölle hatte mich damals dreifach aufgewühlt: Mit wie viel Stolz sich die Grande Dame auf dem Absatz umgedreht und hoch erhobenen Hauptes aus dem Laden stolziert war – bravo! Dass die Geschäftsführung dieses Ladens nichts unternommen hatte, was auch nur entfernt eine „Serviceschulung“ hätte genannt werden können – unverantwortlich. Vor allem aber war ich bestürzt über die Schroffheit der jungen Mitarbeiterin. Wie konnte ein Mensch so wenig Empathie haben? Unfassbar! Und doch hatte ich damals nur die Spitze des Eisbergs gesehen…

Mitgefühl lässt sich lernen – und ver-lernen

Dass das Empathie-Problem in diesem Fall nicht (oder nicht nur) an der Kasse stand, sondern sein Unwesen im Hintergrund trieb, daran erinnerte mich erst kürzlich Prof. Grit Hein, Neurowissenschaftlerin an der Uni Würzburg. Sie konnte in verschiedenen Experimenten zeigen, dass Menschen durch das Beobachten ihres Umfelds Empathie lernen. Oder, dass sie Empathie auf diese Weise auch ver-lernen können.

„Je nachdem, ob empathische oder nicht empathische Reaktionen beobachtet wurden, stiegen oder sanken die Empathie-Ratings. Interessanterweise änderte sich auch die neuronale Reaktion auf den Schmerz der anderen Person“, erklärt Grit Hein. Und diese Veränderungen, jetzt kommt’s, sind tatsächlich durch Lernmodelle erklärbar. Wer in der Studie mitfühlender reagierte, hatte Empathie nicht bloß nachgeahmt oder simuliert, um anderen zu gefallen. Er hatte wirklich Empathie gelernt. Besser gesagt: Sie hatte Empathie gelernt. An der Studie waren ausschließlich junge Frauen beteiligt. Ich komme darauf später zurück.

„Respekt ist der Nährboden für Empathie“

Grit Heins Ergebnis heißt für Sie: Eine Arbeitsumgebung ohne Empathie formt Mitarbeitende ohne Empathie. Kommt Ihnen bekannt vor? Hier ist die gute Nachricht: Es gibt einen Ausweg aus der Servicehölle. „Es ist möglich, positive Empathie von anderen zu lernen“, sagt Grit Hein. Und führt einen weiteren Aspekt ins Feld: „Um langfristig zu gedeihen, braucht Empathie aber ein Klima gegenseitigen Respekts.“ Man kann Respekt für jemanden empfinden, ohne notwendigerweise Mitgefühl zu haben. Es ist aber schwierig, Empathie zu entwickeln, wenn man selbst die andere Person nicht in ihrer menschlichen Würde respektiert – oder wenn es sogar in der Gesellschaft als normal gilt, Menschen nicht zu respektieren. Ein wichtiger Gedanke, denn:

Die Bereitschaft zu empathischem Handeln ist mehr als nur ein Business-Thema. Wir haben es hier mit einem gesellschaftlichen, mit einem politischen Thema zu tun – und das bewegt mich sehr. Wir alle erleben es: immer mehr Schroffheit im Alltag. Immer mehr Gewalt direkt vor der Haustür. Lässt sich gar nichts dagegen tun?

Eben doch! Genau so, wie einzelne, Null-empathische Problembären ein asoziales Klima heraufbeschwören können, so können auch einzelne, empathische Menschen ein freundliches Miteinander fördern. Im Team, im Unternehmen, in der Stadt, überall. Auch ich, auch Sie.

„Männer sind einsame Streiter, müssen durch jede Wand, müssen immer weiter“

Ich komme zurück zum Thema Frauen und Männer: Eine beinahe schon Standardfrage nach meinen Vorträgen zum Thema Empathie ist „Sind Männer genauso empathisch wie Frauen?“ Ich antworte darauf immer „Männer sind anders empathisch als Frauen.“ Eine Studie der Universität Wien zeigte nun, dass Männergehirne auf Stress anders reagieren als Frauengehirne – mit direktem Einfluss auf die Empathiefähigkeit. Konkret: Frauen können auch im Stress gut unterscheiden, was sie selbst denken und fühlen, und was andere denken und fühlen. Diese Fähigkeit hilft ihnen, Gedanken und Gefühle ihres Gegenübers nachzuvollziehen. Männergehirne dagegen begünstigen unter Stress Egozentrik – die Empathiefähigkeit nimmt tendenziell ab.*

Stellen wir uns also einen Chef vor, der in seinem Leben leider nie Empathie erfahren hat oder sie leider verlernt hat, der „schon als Kind auf Mann geeicht“ wurde, auf Empathie-Niveau Null. Der dann auch noch unter Stress gerät, zum schroffen Egozentriker wird und so seinem Team beibringt: Zielwert Empathie = Null. Wie kommt man aus diesem Teufelskreis heraus?

  • Feedback geben: Lassen Sie als Kundin, als Mitarbeiter, als Geschäftspartnerin, als Chef Respektlosigkeit nicht unkommentiert. Respekt ist eine Frage der Service-Haltung, und Service-Haltung können und sollten Sie im Business einfordern.
  • Empathie leben. Wer Empathie vorlebt, kann einen Netzwerkeffekt auslösen. Damit ist klar, an welcher Stelle im Unternehmen ein Empathie-Training am meisten Veränderung auslöst: bei der Führungskraft.

Sie wünschen sich mehr Empathie im Kundenkontakt? Fragen Sie uns gerne – wir haben da etwas für Sie… welearning – Das innovative Trainingstool für Service-Haltung.

Herzlich,

Ihre Sabine Hübner

 

Quellen:

Zhou, Y., Han, S., Kang, P., Tobler, P. N., & Hein, G. (2024). The social transmission of empathy relies on observational reinforcement learning. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, 121(9), e2313073121. https://doi.org/10.1073/pnas.2313073121

Tomova, L., Dawans, B., Heinrichs, M., Silani, G., & Lamm, C. (2014). Is stress affecting our ability to tune into others? Evidence for gender differences in the effects of stress on self-other distinction. Psychoneuroendocrinology, 43, 95-104. https://doi.org/10.1016/j.psyneuen.2014.02.006.

* Bitte richtig verstehen: Auch Männer können selbstverständlich unter Stress empathisch sein. Es geht hier lediglich um Reaktionen, die durch neurologische und hormonelle Besonderheiten in Männergehirnen begünstigt werden können.

 

Bild: ad Rian / photocase.de