5 KPIs, die Kundenbegeisterung (nicht!) richtig messen

Kennen Sie das? Man steht am Bistro – ich nenne als Beispiel jetzt nicht schon wieder ein deutsches Bahnunternehmen – und möchte einfach nur einen Kaffee bestellen, aber der kommt und kommt nicht. Was ist da los? Gibt’s denn keine Führung? Kein Controlling? Doch, doch. Gibt es alles. Doch die Wahrheit liegt oft tiefer. In diesem Fall vielleicht: Lücken in der Lieferkette, die dafür sorgen, dass der Kaffee gar nicht erst im Zug mitfährt.

Oder: Der Mittelständler mit der immer besetzten Hotline. Warum geht denn niemand ans Telefon? Schlamperei? Auch hier kann die Realität komplexer sein: Das Serviceteam wurde vielleicht so stark mit internen Sonderaufgaben belastet, dass den Mitarbeitenden keine Zeit mehr bleibt, die eigentliche Arbeit zu erledigen – nämlich Kunden zu betreuen.

Solche Beispiele zeigen: Kennzahlen sind zwar ein unverzichtbares Führungsinstrument, aber sie zeigen nicht immer auf den ersten Blick, was wirklich los ist. Ohne den richtigen Kontext führen sie vielmehr geradeaus in die Fehlentscheidung. Höchste Zeit, einige Customer Experience-KPIs auf den Prüfstand zu stellen. Sie könnten etwas anderes zeigen als gedacht:

1. Wenn aus Service ein Servus wird

Angenommen, Ihr Unternehmen bringt eine Innovation auf den Markt – und plötzlich verlieren Sie Kunden. Was ist da los? Funktioniert die Innovation nicht? Halt, nicht so schnell. Oft ist das Gegenteil der Fall: Vielleicht haben Sie sich damit genau von den Kunden getrennt, die schon länger nicht mehr zu Ihnen passten. Für die Sie sich dauernd verbiegen, um sie zu halten. Die letztendlich mehr kosten als sie bringen.

Manchmal ist weniger tatsächlich mehr.

2. Wenn Kunden nicht finden, was sie suchen

Eine höhere Verweildauer in Ihrer App? Klingt erstmal positiv. Bedeutet das nicht, dass die Kunden gerne Zeit mit Ihrem Produkt verbringen? So einfach ist es nicht. Ein langer Aufenthalt kann auch ein Zeichen für Frustration sein, nicht für Engagement. Vielleicht finden die User bestimmte Funktionen einfach nicht? Weil Ihre IT-Leute sie gut versteckt haben in einem Untermenü, von dem Sie noch nie gehört haben?

Eine Customer Journey lebt von Qualität, nicht von Quantität.

3. Wenn Mitarbeiter reden und reden und reden

Lange und immer längere Gesprächszeiten im Kundenservice können Zeichen für Ineffizienz sein. Müssen aber nicht. Längere Bearbeitungszeiten können auch ein Zeichen für super Service sein – etwa für wunderbare Menschmomente®. Es sind diese Momente, vielleicht Minuten, vielleicht auch mehr, die den Kunden fühlen lassen: „Hier werde ich verstanden.“

Am Ende ist es nicht allein Ihr Produkt, das überzeugt, sondern das Gefühl, gesehen und gehört zu werden. Als Mensch. Nicht nur als Kunde.

4. Wenn der Kundenkontakt immer teurer wird

Wenn die Kosten pro Kundenkontakt steigen, schrillen die Alarmglocken. Doch oft gibt es einen guten Grund: Der Wettbewerb ist härter geworden, das Produkt noch komplexer oder die Kundschaft vielleicht anspruchsvoller – oder mehr auf Ihre Hilfe angewiesen. In diesen Fällen kann der Mehraufwand langfristig zu höherer Kundentreue führen, was wiederum à la longue den Umsatz steigert.

Das heißt für Sie: kurzfristige Kostensteigerungen pro Kunde bitte immer im Kontext der langfristigen Vorteile bewerten.

5. Wenn niemand mehr anruft

Alles hat seine Zeit. Und so sind auch bestimmte Services heute mega und morgen out – Ihre KPIs in diesem Bereich also unterirdisch. Das muss kein schlechtes Zeichen sein. Es kann auch bedeuten, dass ein zugrundeliegender Engpass verschwunden ist oder sich die Gewohnheiten der Menschen geändert haben.

Manchmal ist der Erfolg eines Services darin begründet, dass er überflüssig wird.

Der Kontext macht den Unterschied

Kurz: Kennzahlen zur Customer Experience sind ein wertvolles Steuerungstool – aber nur, wenn man sie richtig liest. Ohne Kontext besteht die Gefahr, die falschen Schlüsse zu ziehen und Fehlentscheidungen zu treffen. Wer wirklich verstehen will, was hinter den Zahlen steckt, muss tiefer graben: Kundenbedürfnisse verstehen, Prozesse analysieren und den Markt.

Kurz: Customer WOW Experience lebt nicht von einzelnen exzellenten KPIs, sondern vom klugen Blick auf das große Ganze.

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