Serviceprozesse: System verhindert Service

Sonntagnachmittag am Flughafen Zürich. Ich sitze in der Lounge, warte auf meinen Rückflug nach Düsseldorf und freue mich auf einen Abend bei meinen Freunden. Die Anzeigetafel zeigt plötzlich eine leichte Verspätung. Wenn man gemütlich in der Lounge sitzt, ist das erst einmal nicht weiter schlimm. Die Verspätung wächst. Irgendwann wird doch zum Boarding ausgerufen – eine Stunde nach der geplanten Abflugzeit. Als alle sitzen und wir vermeintlich losstarten wollen, meldet sich der Kapitän „Meine Damen und Herren, wir können die Tür nicht schließen. Ein Techniker kommt.“ 15 Minuten später ergreift der Kapitän wieder das Wort: „Das ist eine größere Sache. Wir können die Tür nicht richtig schließen. Ich akzeptiere dieses Flugzeug nicht. Wir müssen das Fluggerät wechseln.“ Na Gott sei Dank fliegen wir nicht mit „offener“ Tür.

Wenn Serviceprozesse versagen

Sie können sich vorstellen, welch grimmiges Raunen durch die Reihen ging. Die Stimmung war im Keller. Wir steigen alle wieder aus. Es wird uns ein neues Abfluggate genannt. Das gibt es leider nicht, und wir irren alle im Terminal umher. Schließlich löst sich der Fehler auf. Der Mitarbeiter am neuen Gate schreit ohne Mikrofon und sehr ungelenk in die Menschentraube, dass wir eine Stunde später fliegen. Ein neuerlicher Irrtum, wie sich herausstellte. Eine Stunde später folgt die nächste Information, nämlich, dass der Flug annulliert ist. Weniger Reiseerfahrene schreien aufgeregt herum und rennen dann im Schweinsgalopp zum Transfer Desk im anderen Terminal, um irgendwie nach Düsseldorf zu kommen. Ich kam als eine der letzten dort an. Natürlich wollte ich auch nach Hause oder besser – ich musste nach Hause, aber ich war guter Dinge, dass ich mit der Schwester-Airline eine Stunde später zurückkommen würde.

Keine Möglichkeit, das System zu „umgehen“

Schnell fiel mir auf, dass die Schlange irgendwie nicht kürzer wurde. Die Mitarbeiter rannten ein wenig aufgescheucht herum, flüsterten sich Dinge zu. Schließlich griff eine Mitarbeiterin der Bodencrew zögerlich zum Mikrofon: „Meine Damen und Herren, ich muss Ihnen leider bedauerlicherweise mitteilen, dass wir Sie nicht auf die XY-Maschine nach Düsseldorf umbuchen können. Da sind zwar noch Plätze frei, aber unsere Systeme können die Flüge nicht umschreiben. Wir haben alles versucht und auch mit dem Gate telefoniert. Es gibt leider keine Möglichkeit. Sie erhalten alle einen Voucher für ein Hotel und morgen früh…“
Können Sie sich das vorstellen? Es gab keine Möglichkeit, das System zu „umgehen“. Das System beherrschte uns. Die Maschine flog allen Ernstes mit leeren Sitzen nach Düsseldorf, und die Fluggesellschaft musste für alle „Gestrandeten“ den Layover bezahlen. Unter den Fluggästen kam ein wenig Galgenhumor auf. Kopfschütteln, Unverständnis und hysterisches Lachen war zu beobachten.

Glück im Unglück

Ich hatte Glück. Ich kam mit nach Köln – wenigstens schon mal im Rheinland – mit der gleichen Schwestergesellschaft, die fast zeitgleich nach Düsseldorf flog. Fragen Sie mich bitte nicht, warum eine Umbuchung nach Köln ging. Teurer war das allemal mit all den Taxikosten. Kurz vor Mitternacht schloss ich müde meine Wohnungstür auf. Der Abend mit meinen Düsseldorfer Freunden war der Starrheit der Systeme zum Opfer gefallen. Die schliefen nämlich schon.
Als Fluggast war ich stocksauer, dass meine Sonntagabend-Lebenszeit so sinnlos verschwendet wurde. Als Service-Expertin fragte ich mich, warum es sich noch immer nicht herumgesprochen hat, dass eine exzellente und empathische Service-Kommunikation in Problemsituationen das A&O ist. Als Unternehmerin rechnete ich hoch, wie viel Geld an diesem Abend verschwendet wurde. Und in „Personalunion“ fragte ich mich, warum wir es zulassen, dass uns Systeme und Prozesse derart dominieren.

(Bild: enobe / photocase.de)