Hochzeits-Crash an Gate 11

Hochzeiten gehören immer schon zu den störanfälligsten Glückstagen im Leben. Doch die Lage hat sich verschärft: Betete man bislang für gutes Wetter und gut gelaunte Schwiegermütter, so muss man den Himmel heute zusätzlich für einen funktionierenden Flugverkehr anflehen, vielmehr: andere Fluggäste. Doch der Reihe nach…

Die Zeitungen sind voll von den unbeschreiblichen Dissonanzen und Verspätungen im aktuellen Flugverkehr. Oft genug bin ich selbst davon betroffen, viel zu oft, aber irgendwann gewöhnt man sich daran, wie an die täglichen Tweets von Donald Trump (schlimm genug). Meine letzte Geschichte aber lohnt sich zu erzählen. Ich fliege um 18.50 Uhr von Düsseldorf nach Salzburg. Eine Stunde vorher kommt schon die SMS: „Leider… auf 19.15 Uhr…“ – kein Problem, ich sitze ja gleich komfortabel in der Lufthansa-Lounge.

„Wir mussten das Fluggerät wechseln.“

Am Gate steht dann später schon der Bus vor der Tür, es erwartet uns eine Außenposition. Kurz vor dem Boarding ruft eine Dame ohne Mikrofon hemdsärmelig in die wartende, ziemlich große Menschenmenge: „Wir mussten das Fluggerät wechseln. Statt eines Airbus XY fliegt jetzt eine kleine Maschine. Wir können nur 75 Personen mitnehmen und mussten eine Entscheidung treffen, wer die 75 sind. Wir entschieden uns für die 75, die als erstes eingecheckt haben. Die Check-in-Nummer steht auf Ihrer Boarding-Card.“

Nun ging es los: Das ältere Ehepaar hinter mir sagte verzweifelt: „Aber wir haben doch Business-Class gebucht“, ein Paar hatte Nummer 75 und 76, und sie wurden durch die pragmatische Lösung getrennt. Sitzplätze konnten nicht neu vergeben werden, also „Free-Seating“ wie bei Ryan Air. Den Ruf in die Menge gab es nur auf Deutsch, sodass die englischsprachigen Fluggäste gar nicht wussten, was überhaupt los ist. Ich hatte Glück, dass ich die „4“ war und nur auf meine Buchungsklasse verzichten musste. Leistungsversprechen? Total überbewertet, wen interessiert das schon in Zeiten wie diesen.

Irgendwann saßen dann 75 Personen in einem kleinen, engen Flugzeug, zwei standen noch vor dem Cockpit. Die Flugbegleiterin meldet sich: „Am Boden ist ein Fehler passiert. Hier sind noch zwei Personen mehr als wir mitnehmen können. Und das Problem ist, der Herr heiratet morgen, und wenn er nicht mitkommt, platzt die Hochzeit. Ich würde ungern jemand zwangs-disembarken…“ Stille in der Kabine. Schließlich erbarmt sich ein Herr und erhält tosenden Applaus. Die Dame steht da immer noch. Die Flugbegleiterin fährt fort „Und das ist die Cousine der Braut und die würde auch gerne mitfeiern“. Es erbarmt sich sehr zögerlich noch ein Herr. Wieder folgt Applaus. Ich dachte mir: „Hoffentlich hatte die Braut nicht Nummer 99 J.“ Und als dann endlich die fehlenden Sandsäcke für den Frachtraum zum Ausgleich des „Übergewichts“ geliefert wurden, konnte es mit 90 Minuten Verspätung doch noch losgehen.

Die offiziellen Begründungen, warum wir jetzt „total überraschend“ eine kleine Maschine hatten, reichten von „Wind in Salzburg“ (es ging übrigens kein Lüftchen), über „technischer Defekt“ bis hin zu „Maschine kommt zu spät aus…“. Die Wahrheit war vielleicht „Es gibt keine Crew für den Airbus“. Ich meine: wenn schon nichts funktioniert, dann sollte wenigstens die Service-Kommunikation  glaubwürdig sein. Denn Glaubwürdigkeit ist wohl einer der wichtigsten Werte, die eine Marke in Zeiten von Fake News aufrechterhalten. Aber Glaubwürdigkeit braucht Mut und Mut braucht Haltung, die ich immer häufiger vermisse.

Herzlich

Sabine Hübner

 

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