Weg mit dem Veranstaltungs-Gähn. Her mit dem WOW!
Was die Wirtschaft von der Kultur lernen kann. Ein Blick in die Schweiz und nach Berlin.
Ich habe kürzlich einen spannenden Beitrag in der NZZ gelesen, der meinen Blick sehr auf populäre Kunstformate lenkte. Es ging um die Frage, wie Kunstausstellungen heute Menschen begeistern und zu Hunderttausenden anlocken – und zwar auch diejenigen, die eher nicht freiwillig in ein Museum gehen. Heute gehen sie freiwillig. Denn einige Aussteller bewegen sich raus aus den klassischen Museumstempeln und rein in Fabriken, Werkshallen und Co., die sie vollpacken mit multisensorischen Erlebnissen.
Inspirieren statt konditionieren
Die Formel ist einfach: Weniger Feuilleton, mehr Disney. Nach Besucherzahlen und Umsatz bemessen, ein mega Erfolg. Auch wenn ich persönlich jetzt eher nicht meinen Punkt bei „Disney“ kleben würde, fasziniert mich dieser Gedanke. Aus einem praktischen Grund:
Die Teilnehmer unserer Seminare sind manchmal sehr divers – von Christies Fine Art bis Disney ist alles dabei. Und wir arbeiten immer schon nach dem Motto: Inspirieren statt konditionieren. Deshalb habe ich mich gefragt, ob sich die Ausstellungskonzepte dieser neuen „Kunstbetriebe“ auf unsere Arbeit übertragen lassen.
Ich meine: Ja, das geht. Aber lassen Sie uns erst einmal schauen, um was es hier überhaupt geht:
- Die Maag-Lichthalle in Zürich bietet immersive Kunst, bei der die Besucher in die Werke eintauchen können, als wären sie Teil der Ausstellung.
- Das Stapferhaus in Lenzburg hat sich darauf spezialisiert, gesellschaftlich relevante Themen interaktiv zu vermitteln – „So konnten die Besucher schon im Geld schwimmen, auf einem Riesenrad über Heimat nachdenken oder auf Absatzschuhen stöckeln, um die Unterschiede der Geschlechter zu fühlen“, schreibt die NZZ.
- Und Fotografiska in Berlin verbindet Kunst mit einem sozialen Erlebnis und bietet einen Raum, in der sich die Besucher locker austauschen und ihre Freizeit verbringen können. NZZ: „Das Museum wird so Kulisse für das eigene Leben.“
Ich meine: Aus diesen Konzepten lassen sich fünf Erfolgsrezepte ableiten, die sich auf Veranstaltungsformate für die Wirtschaft übertragen lassen:
1. Selbst erleben lassen statt „vorkauen“
In der Wirtschaft können wir viel von der Idee der Erlebnisvermittlung lernen. Ich meine: Vor allem Konferenzen und Produkteinführungen, aber auch Seminare und Meetings könnten viel mehr interaktive Erlebnisse sein: Simulationen, Abenteuer, Escape Rooms. Selbst entdecken, selbst ausprobieren, sich faszinieren lassen: Das geht viel mehr unter die Haut, das lässt das Erlebte viel länger im Gedächtnis bleiben als via Powerpoint kleinteilig vorgekaute Gähn-Erkenntnisse.
2. Mit Geschichten begeistern
Die persönlichen Schicksale der Künstlerpersönlichkeiten – das interessiert und berührt die Menschen. Und so können auch Unternehmen starke emotionale Verbindungen mit Storytelling aufbauen: Durch welche Widrigkeiten hat sich der Gründer gekämpft? Wie viel leichter wird das Leben Ihrer Kunden mit der jüngsten Innovation? Erzählen Sie’s! Persönliche Geschichten von Kämpfen, Erfolgen und Fails erreichen Menschen auf einer viel tieferen Ebene als reine Fakten.
3. Themen, die Menschen bewegen
Auch in der Wirtschaft gilt: Veranstaltungen müssen aktuelle, drängende Themen aufgreifen, damit sie relevant sind. Nachhaltigkeit und digitale Transformation, neue Arbeitsmodelle und Inklusion, Kostendruck und Künstliche Intelligenz sind Themen, die heute in jedem Unternehmen wichtig sind – und die das Leben der Menschen direkt betreffen. Wenn diese Zukunftsthemen in Panels, Workshops und Roundtables offen diskutiert werden, wenn hier praxisnahe Lösungsansätze gefunden und dann auch umgesetzt werden – motiviert das und schafft Verbundenheit.
4. Bitte niederschwellig!
Genauso wie moderne Aussteller den Zugang zur Kunst erleichtern, könnten auch in Unternehmen offenere und vielfältigere Format entwickelt werden. Ich denke an Programme, die sowohl Anfänger als auch Experten ansprechen. Oder an hybride Formate – vor Ort und online – die eine Teilnahme unabhängig vom Standort ermöglichen. In meinem Beratungsunternehmen forwardservice lieben wir unser „Denk-Wohnzimmer“, ein entspannter Bereich, um die Köpfe zusammenzustecken, den lockeren Austausch zu fördern und es auch weniger erfahrenen Menschen ermöglichen, wertvolle Verbindungen zu knüpfen. Statt Krampf: Menschmomente®.
5. Hallo Lebensfreude
Viel mehr als bisher können wir Orte gezielt als „Third places“ einrichten: als Räume, die öffentlicher sind als das eigene Wohnzimmer und privater, cooler, inspirierender als ein Büro. Traditionell gehören Cafés und Bibliotheken in diese Kategorie, auch Vereinsheime und Sportstätten. Warum nicht auch Ausstellungshallen – und Business-Eventflächen? Gerade in Zeiten von Home-Office haben Menschen viel Lust auf Gemeinschaft: After-Work-Events, kreative Caféhaus-Atmosphäre, Dolce Vita wie auf einem italienischen Marktplatz. Warum schaffen wir nicht mehr solcher ungezwungenen Formate? Gemeinschaft tut den Menschen gut. Und wer happy ist, der ist auch produktiv und – das ist entscheidend für Kundenbegeisterung! – empathisch.
Kurz: Erlebnis und Emotionen, Relevanz und Niederschwelligkeit, und das alles mit viel Raum für Lebensfreude – diese fünf Booster verwandeln ihre Veranstaltungsformate von Gähn in WOW. So kommen Sie zu Erlebnissen, die Menschen inspirieren, verbinden, und ganz nebenbei auch klüger machen. Macht nicht genau das nachhaltigen Erfolg aus?
Bildnachweis: suhari / photocase.de