Wo ist das WOW für den Kunden?

Als ich heute einen aktuellen Text zum Thema „WOW: Kunden zu Fans machen“ suchte, habe ich erstmal nichts gefunden. Moment mal: Trauen wir uns vor lauter schlechten Nachrichten nicht mehr, unsere eigenen Kunden zu überraschen? Oder passt das WOW nicht mehr zum heutigen „Dealmaking“?

Dealmaking – das ist das Credo unserer Zeit. Du gibst mir dies, ich gebe dir das. Deal. Du kannst mir nicht das geben, was ich will? Kein Deal. Verstehen Sie mich bitte richtig – ich rede hier nicht über Politik. Ich rede über Business, wie ich es in meinem Umfeld gerade erlebe. Ich sehe überall Deals! Aus ökonomischer Sicht – klar: Geschäfte müssen sich rechnen. Trotzdem ist der enge Fokus auf Deals, Deals, Deals auch fad. Und vor allem: furchtbar uninspiriert.

Der Mensch, Sie und ich, wir sind doch mehr als ein wandelnder ROI. Mehr als Key Performance Indices, mehr als Verträge, mehr als Personal Branding. Hat der Mensch nicht auch ein Herz? Eine Seele? Zugegeben: die lassen sich schlecht vermessen. Aber ist das ein Grund, sie einfach zu ignorieren?

Ich vermisse die Lust am WOW

Damit das eigene Business halbwegs am Leben bleibt, wird an der Leistung geknapst. Shrinkflation nennt sich das schön. Hochwertige Zutaten raus, billige rein. Call-Center mit freundlichen Menschen? Zu Teuer. Und KI-Bots klingen längst fast wie Menschen, nur freundlicher. Schlechte Nachrichten aus dem globalen Machtpokerspiel? Die Gelegenheit, die Preise noch einmal zu erhöhen. Wie es dem Kunden dabei geht? Ach, egal.

Mir ist das alles nicht egal. Ganz im Gegenteil: Ich vermisse die Lust am WOW! Die Freude daran, Kunden zum Lächeln zu bringen. Ein kleines Extra. Eine handgeschriebene Karte. Eine Geste, die sagt: „Wir sehen dich!“ Stattdessen höre ich von Freunden, von Geschäftspartnern: Unternehmen schicken ohne Begründung eine Vertragsauflösung und „Danke für Ihr Verständnis“. Ein langjähriger Vermieter schreibt trocken, man möge „umgehend!“ den Dauerauftrag anpassen, sonst werde man sich „zu einer hohen Nachzahlungsaufforderung gezwungen sehen“. Der Friseur einer Freundin ist plötzlich nicht mehr da. Kein Abschied, keine Nachricht. Nach zwölf Jahren. Nichts. Bitte richtig verstehen: Es geht mir gar nicht darum, bei jeder Gelegenheit einen extra Wackeldackel geschenkt zu bekommen, oder noch mehr Wasser oder noch mehr Obst aufs Zimmer. Nein, das nicht. Es geht mir um die Haltung, die hinter alldem steht.

Sind wir nur noch „werthaltige Kontaktpunkte“ in einem Netz aus Daten, Waren, Diensten und Karrieren? Zählt nur noch: schneller, effizienter, profitorientierter? „Move fast and break things“ als neue Geschäftsethik? Das ist mir zu wenig. Ich will das WOW zurück!

Service ist eine Haltung. Eine Idee, wie Menschen mit Menschen umgehen.

Vor einigen Tagen wollte ich am Spätabend noch schnell etwas mit meinem Telekommunikationsanbieter klären. Nach 9 Minuten in der Warteschleife dachte ich mir, jetzt hänge ich auch nicht mehr ein, es kann ja nicht mehr lange dauern. Nach 16 Minuten fing ich an, mir die Zähne zu putzen, während die Wartemusik weiter dudelte. Nun – unter schnell verstehe ich etwas Anderes, und ich malte mir schon aus, wie ich demjenigen, der jetzt rangeht, einen Spruch „reindrücke“.  Nach 21 Minuten meldet sich ein Mitarbeiter mit fröhlicher Stimme „Moin Moin. Hier spricht der Martin von der Nordseeküste. Was kann ich heute Abend noch Schönes für Sie tun?“ Ich musste lachen. Das sympathische „Nordlicht“ rettete mit seinem flotten Spruch den Gesprächseinstieg und löste mit viel Kompetenz meine Situation.

Service ist kein Projekt, Service ist eine Haltung. Und die sollte vor allem eines sein: menschlich. Nein, das ist nicht „woke“, das ist nicht „gestrig“. Mag zwar sein, dass man das, was dazugehört, nicht sekundengenau abrechnen kann – aber es rechnet sich am Ende: Der Bäcker, der morgens um sechs den Namen und die Lieblingsbrötchen seiner Kunden kennt, der hat die Stammkunden. Die Boutique, die sich an meine Vorlieben erinnert, die verkauft mir das nächste Mal noch ein Accessoire dazu. Der „Martin von der Nordseeküste“ der bekommt meine 5-Sterne-Bewertung und ein persönliches Lob per SMS. Wer sich nicht nur als Transaktionspartner, sondern als Partner im besten Sinne versteht, bekommt meine Loyalität. Wer mich als Geschäftspartner nach dem Prinzip behandelt „so wenig wie möglich geben, so viel wie möglich herauspressen“ – der interessiert mich nicht. Kein Deal!

Ich meine: Ein guter Deal ist einer, bei dem am Ende beide Seiten lächeln. Deal?

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