Der drittwichtigste Mensch im Ort

Kleiner Anstoß – große Wirkung. Ihr Effekt auf andere Menschen ist viel größer, als Sie es für möglich halten. Je mehr Menschmomente Sie prägen, desto größer fällt die von Ihnen angestoßene Kettenreaktion aus. Was sich da verbreitet? Gute Stimmung.

Er war als „Lehrbub“ gerade 15 Jahre alt geworden, als sein Chef zu ihm sagte: „Sie sind der drittwichtigste Mensch in unserem Ort – nach dem Pfarrer und dem Bürgermeister.“ Es war der erste Tag seiner Lehre im Lebensmittelladen einer kleinen Stadt in Südtirol, und dieser Satz prägte den Kaufmann über Jahrzehnte bis heute. So tief, dass er nach einem Vortrag zu mir kam, um mir diese Geschichte zu erzählen. Warum ich sie Ihnen weitererzähle? Weil so viele von uns gerade heute die drittwichtigsten Menschen sind, aber es gar nicht wissen. Vielleicht gehören auch Sie dazu?

Menschmomente lösen Kettenreaktionen aus

Der Südtiroler Lebensmittelhändler jedenfalls wusste, dass sein Lehrbub im Ort ein wichtiger Stimmungsmacher war. Weil er Menschen die Resonanz gab, die sich viele insgeheim wünschten: „Oh, Sie kommen frisch vom Friseur, steht Ihnen gut.“ Weil er immer ein Radl Wurst für die Kinder übrighatte und sich Zeit nahm, mit älteren Herren kurz zu scherzen. Aus einem solchen Laden kommen Kunden mit einem Lächeln und einer wohligen Erinnerung. Selbst beim Auspacken der Einkaufstasche freut sich die Kundin noch über das Kompliment. Ein anderer Kunde kichert am übernächsten Tag noch einmal, wenn ihm der Scherz durch den Kopf geht. Wieder ein anderer hat einen guten Tipp bekommen, einen Denkanstoß oder einen Funken Hoffnung in einer schweren Zeit.

Das ist Servicehaltung. Die Stimmung, die wir unseren Kunden in einem Menschmoment mit auf den Weg geben, ist eben viel mehr als ein Moment. Die Stimmung wirkt nach, setzt sich fort in anderen Gesprächen. Gute Stimmung ist in unseren persönlichen Netzwerken hoch ansteckend – schlechte allerdings auch. Und das bringt uns zum nächsten Thema.

Jeder Moment zählt, jeder Mensch zählt

Gerade jetzt suchen viele Menschen nach einer neuen Antwort auf die Warum-Frage. Ich denke, der persönliche „Impact“ eines jeden von uns ist eine gute Antwort. Jeder von uns macht mit seiner Stimmung in seinen Begegnungen einen signifikanten Unterschied. Jeder Moment zählt und jeder Mensch zählt. Der Unibibliothekar, der den Lesesaal im Moment nur für eine einzige Studentin aufsperrt und ihr Mut für die Prüfung macht. Die Cellistin, die derzeit nur vor drei Zuhörern im Treppenhaus spielt, statt im Konzertsaal. Und auch der Kaffeehausbesitzer, der sein kleines Unternehmen mit Kuchenverkauf mühsam über Wasser hält, und trotzdem jedem Gast ein Lächeln schenkt.

Dem Südtiroler Lehrbub jedenfalls war vom ersten Tag an bewusst, dass er wichtig ist und nicht nur eine Lehre macht. Dass es ihn braucht. Es hat ihn und seine Position gestärkt. Es hat dem jungen Mann mit seinen 15 Jahren eine Bedeutung und einen Sinn gegeben.

Ich meine: Jeder von uns ist für irgendwen der drittwichtigste oder vielleicht sogar der wichtigste Mensch – vielen von uns hat es nur noch nie jemand gesagt.

Bildquelle: ABRAHAM GONZALEZ FERNANDEZ / photocase.de