Serviceglück hält ein Leben lang

Wenn Kundenbindung sich in echte Kundenliebe verwandelt, geschehen Wunder – für den Dienstleister

Sattgrüne Wiesen, stahlblauer Himmel, eisgraue Bergspitzen – Regionen wie der Chiemgau, das Berchtesgadener Land oder das Salzburger Land sind herrliche Urlaubsregionen. Nur: Immer mehr Einheimische wollen die Gastgeber-Rolle nicht mehr, während die Regionen aber dringend Vermieter von Kleinstpensionen brauchen. Wie motiviert man nun Menschen zu dieser Aufgabe? Um diese Frage dreht sich eine spannende Initiative, zu der ich beitragen durfte.

Einerseits verstehe ich das: Gastgeber mit Herz geben immer auch ein Stück ihrer eigenen Freiheit auf – denn Service endet nicht um 17 Uhr. Diese „Verlustrechnung“ ist aber nur eine Seite der Medaille. Die andere Seite ist vielen manchmal nicht ganz bewusst.

Servicekultur ist eine Lebensart

Gerade die Gastgeber mit Herz bekommen von ihren Gästen oft sehr viel mehr zurück, als sie je erwartet hätten. Ich kenne das aus meiner eigenen Familie. Meine Mutter hatte über viele Dekaden eine Familienpension im Salzkammergut geführt. Das ist nun mehr als 25 Jahre her. Auch heute noch – also 25 Jahre später – wird sie regelmäßig von ehemaligen Gästen besucht und zum Essen eingeladen. Sie kennt im Umkreis ihres Wohnorts jedes gute Restaurant. Sie bekommt Postkarten aus aller Welt und Fotos von Kindern, Enkeln und Urenkeln. Sie ist Teil einer riesigen Reisefamilie. Das heißt: Serviceglück ist am Saisonende nicht vorbei. Serviceglück verbindet Menschen – und hält oft ein Leben lang!

Ich habe lange darüber nachgedacht, aus welchen Quellen diese ungewöhnlich langfristigen und intensiven Beziehungen ihre Energie schöpfen. Ich meine: Es ist die bezaubernde Landschaft, und es sind die ungewöhnlichen Menschen hier.

Wenn der Berg ruft

Zuerst zur Landschaft: Besonders Städter haut es geradezu um, wenn sie bei bestem Wetter die Bergmassive bestaunen oder die Zehen in die eiskalten, klaren Seen tauchen. Was passiert da? Der Soziologe Hartmut Rosa erklärt diesen Effekt mit Resonanz. Vier Merkmale gehören dazu:

  1. Etwas berührt uns innerlich. Früher sagte man: „Der Berg ruft.“
  2. Wir antworten, indem uns zum Beispiel ein Schauer über den Rücken läuft.
  3. Wir verändern uns durch diese Resonanzerfahrung: Wir werden neugierig, wollen fotografieren, wandern oder rufen zurück, um das Echo zu hören.
  4. Die Erfahrung von Resonanz lebt wesentlich davon, dass sie unverfügbar ist. Ein sonniges Alpenpanorama kann man nicht bestellen – manchmal ist halt Gewitter.

Authentizität folgt keiner Prozesslogik

Und damit kommen wir zu den Menschen. In den großen Hotelketten dieser Welt sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geschult und uniformiert. Serviceprozesse sind bis ins Detail durchgetaktet und optimiert. Alles ist messbar, alles steht unter der Beobachtung von Marktforschung und Controlling. Das funktioniert wie am Schnürchen, keine Frage, Platz für Resonanz bleibt da eher zufällig. Anders im Chiemgau. Da begegnen Sie knorrigen Gastgebern im Karohemd, die zwar nicht einen Satz Hochdeutsch sprechen, aber Ihnen ungefragt die verregneten Wanderschuhe mit Zeitungspapier stopfen und Hühnersuppe aufs Zimmer bringen, damit Sie nicht krank werden. Das können Sie so nicht buchen, das passiert einfach, das berührt tief, und das vergessen Sie nicht.

Menschen wollen nicht nur Urlaub machen, sie wollen erleben. Sie suchen Authentizität, Gastfreundschaft und Vielfalt. Vielleicht fußt – trotz aller Kritik – auf diesem Gefühl der Erfolg von AirBnB.

Wie ist es bei Ihnen? Kennen Sie das Gefühl?

Eine wundervolle Service-Woche wünscht Ihnen

Ihre Sabine Hübner

 

Bildquelle: Jeanette Dietl / Adobe Stock