Serviceglück mit Klopapier per Post?
Es gab mal einen Zeitpunkt, an dem ich mich konsequent von allem trennte, was mir die Luft zum Atmen nahm, was sich schwer anfühlte, was nicht mehr recht zu mir passen wollte: Ich trennte mich von Rotary, weil mir jede Woche wieder die Zeit für die vielen wertvollen Projekte fehlte, für die ich mich so gerne engagiert hätte. Vom renommierten Marketing-Verband, dem ich eigentlich jedes Jahr fünf Tage schenken wollte – die ich dann nicht übrig hatte. Vom Abo für eine wunderbare Wochenzeitung, die sich irgendwann einen halben Meter hoch ungelesen in der Wohnung stapelte und mich, so kam es mir vor, zunehmend beleidigt anstarrte, weil ich sie nicht gebührend beachtete. Und schließlich trennte ich mich von einer PR-Agentur, die für ihre Monatspauschale herzlich wenig in Bewegung setzte. Kurz: Ich machte „Tabula rasa“ – fühlte mich inspiriert und leicht, und plötzlich war sie wieder da, die Energie für das, was mich am meisten umtreibt: Serviceglück!
Manche Dinge durften bleiben, zum Beispiel meine „brandeins“, die ich – sorry, liebe Gabriele Fischer – zwar immer zeitverzögert lese. Aber lese! Jedes Mal, wenn ich die neue Ausgabe aus dem Briefkasten fische, freue ich mich schon über das Cover, und der Inhalt ist jedes Mal so zeitlos aktuell, dass er gerne und ganz entspannt auf mich wartet.
Serviceglück per Abo
Abos und Mitgliedschaften können auf unserer persönlichen Serviceglück-Skala ganz oben stehen – aber auch nach ganz unten rutschen. Einerseits lieben wir sie tatsächlich: Sie geben uns ein Gefühl der Zugehörigkeit, und das tut uns gut. Daher zahlen so viele von uns Beiträge für den Club, das Sportstudio, das Fachzeitschriften-Abo, zunehmend auch für Apps und PC-Programme, und das weit über die persönliche Relevanzphase hinaus. Oft über Jahre! Wir lieben die gesparte Organisationsarbeit, wenn wir immer beim gleichen Autovermieter buchen, immer zum gleichen Fitnessclub gehen oder uns die Zeitung nach Hause bringen lassen. Andererseits mögen wir Abos und Mitgliedschaften nicht: Wir ärgern uns über die gefühlte Abhängigkeit und das herausgeworfene Geld, wenn wir die bestellten Angebote nicht mehr brauchen, wenn sie nicht mehr zu uns passen, wenn sie zu teuer geworden sind. Kurz: Wenn sie uns nicht mehr glücklich machen! Serviceglück per Abo kann also eine super Sache sein – aber auch ganz schön schief gehen. Umso interessanter finde ich den jüngsten Kundenbindungsversuch des Versandriesen Amazon. Neuerdings kann sich jeder Prime-Kunde sogenannte Dash-Buttons in die Wohnung kleben. Das sind kleine, internetverbundene Knöpfe nebst Markenschild, über die sich der Kauf ständig benötigter Alltagsware abwickeln lässt. Ein digitalisierter Einkaufszettel sozusagen. Darunter Waschpulver, Zahnpasta, Hundefutter und Schaumstoffpöppel für Kinderpistolen – also eher ene Auswahl an „Low-Interest“-Produkten. Die Idee: Geht die Zahnpasta zur Neige, drücke ich einfach auf den in Waschbeckennähe aufgeklebten Knopf, und nur wenig später habe ich die nächste Amazon-Post im Kasten. Mit meiner Zahnpasta.
Wenn der Hund Papier bestellt
Ganz abgesehen davon, dass Verbraucherschützer längst gegen die Sache Sturm laufen und IT-Experten vor den vielen vernetzten Knöpfen warnen, stelle ich mir dieses Serviceglücksversprechen durchaus fehleranfällig vor. Nur mal angenommen, der Hund der Nachbarin drückt aus Jux und Dollerei mit seiner Nase an meinen Toilettenpapierbestellknopf, die Bestellbestätigungsmail von Amazon geht in meinen 4836 anderen Mails unter, am nächsten Tag habe ich einen gelben Abholzettel von DHL im Briefkasten, am übernächsten Tag quäle ich mich durch den Mittagsverkehr zur Post, stehe dort 23 Minuten in der Schlange, nehme einen riesigen Karton mit Toilettenpapier entgegen, den ich 17 Minuten lang zum Auto schleppe, das ich mangels Parkplätzen drei Blocks weiter parkte und stelle dann fest, dass der Hund das Papier zu einem horrenden Tagespreis geordert hat. Zugegeben: Das ist der worst case.
Vielleicht macht der Button ja auch Spaß?
Könnte ja sein, dass man sich mit dem Knopf wie eine adelige Lady aus der britischen Serie Downton Abbey fühlt, die im weitläufigen Schloss überall (selbstverständlich mechanische!) Vorrichtungen anbringen lässt, mit denen sie ihre Butler herbeiklingeln kann. Einmal driiiing!, und schon kommt der Tee. „Very nice! Thank you, Carson!“ Und das wäre doch auch der nächste Schritt für Amazon: Ich drücke, sagen wir: um fünf Uhr am Nachmittag auf meinen Dash Button am Tea Table – und nur Minuten später bringt mir ein höflicher Lieferroboter Darjeeling. Rollend, fliegend, egal, Hauptsache der Tee ist heiß. Wäre doch nett. Aber bis wir so weit sind, dauert es wohl noch ein wenig. Bis dahin halte ich den Dash-Button für eine originellen Ansatz, der noch Luft nach oben hat für den großen Durchbruch hat – in Sachen Praktikabilität, Durchgängigkeit und Optik.
Testen werde ich ihn auf jeden Fall. Inzwischen lasse ich mir meinen gesamten Wunsch-Einkauf lieber komplett liefern. Oder gehe weiter zu „meinem“ Supermarkt, wenn ich was auch immer brauche, lasse mich en passant von frischen Delikatessen zum Kochen inspirieren, nehme mir spontan Blumen mit, wechsle mit der Kassiererin ein paar nette Worte und antworte auf die ewig gleiche Frage nach der Payback-Karte lachend wie immer: „Treue gibt es nur in Freiheit“.
Ich wünsche Ihnen einen Glückstag!
Ihre Sabine Hübner
Bildquelle: Amazon-Presse.de
https://amazon-presse.de/Kindle—Fire/Amazon-Dash-Button/Produktdetail.html?pid=8123e512-1f47-494c-8f57-a79f7a862ae4