Nicht nur rennen. Tore schießen!
In Kundenteams, manchmal auch in meinem eigenen Team, beobachte ich denselben Trend: Alle rennen. Immer schneller, immer disziplinierter, mit bewundernswerter Ausdauer. Wie Fußballer, die über 90 Minuten das Spielfeld rauf und runter hetzen. Ich frage mich: Was bleibt dabei eigentlich auf der Strecke?
Im Büro ist es wie beim Fußball: Mit Rennerei allein gewinnt man kein Spiel. Ich habe darüber nachgedacht, warum das eigentlich so ist. Und an was wir bei all der Rennerei eigentlich vorbei rennen. Drei Dinge habe ich gefunden:
1. Die Treffer
Im knallharten Wettbewerb von heute geht es oft gar nicht mehr darum, Kunden übermäßig zu begeistern. Die Erwartungen sind oft viel banaler: Der Kunde will, dass sein Paket heil und pünktlich ankommt. Dass das Produkt einfach aus der Verpackung kommt und bitte länger als nur drei Tage lang funktioniert. Der Kunde will, dass der bestellte Experte pünktlich erscheint. Manchmal nur, dass überhaupt ein Mensch ans Telefon geht statt eines begriffsstutzigen Chatbots. Wenn das klappt, steht am Ende ein solides Geschäft. Umsatz. Gewinn. Nur rennen hilft nicht. Man muss auch Tore schießen.
2. Das Zusammenspiel
Einundzwanzig Minuten hing ich letztens in der Warteschleife. Pyjama schon an, die Hoffnung fast aufgegeben, meldet sich plötzlich eine überaus fröhliche Stimme: „Hallo! Hier ist Martin von der Nordseeküste! Was kann ich Schönes für Sie tun?“
Ich musste lachen und war baff. Meine vorformulierte Beschwerde über die lange Wartezeit? Weg. Martin hatte mir den Wind aus den Segeln genommen. Plötzlich war ich nicht mehr die genervte Kundin, sondern einfach ein Mensch, der mit einem anderen Menschen spricht. Mit Martin von der Nordseeküste.
Dieses Zusammenspiel vermisse ich oft. In Meetings, bei Anrufen, in Begegnungen geht es oft nur noch um die Agenda. Es ist, als würden lauter Duracell-Häschen vor sich hin trommeln (wer erinnert sich noch?). Kein Funke springt mehr über. Nichts.
Dabei sind die besten Geschäfte – auch finanziell – diejenigen, bei denen genau das passiert. Nicht umsonst heißt es „Touchpoint Management“. Dabei ist „Touch“ wörtlich gemeint. Es geht um Momente, die unter die Haut gehen. Wenn das nicht passiert, werden Geschäftsbeziehungen austauschbar. Und das sieht man spätestens am Jahresende im Controlling.
3. Der Streit
In jedem guten Fußballspiel gibt es hitzige Momente: Spieler protestieren gegeneinander, Fans gegen den Schiedsrichter, Spieler gegen Trainer und umgekehrt. Es geht zur Sache. Es wird gestritten – um Fairness, um Prozesse, um Regeln.
Das vermisse ich im Arbeitsalltag. Wir brauchen mehr Kante. Mehr Protest, mehr Unbequemlichkeit, mehr Konfrontation. Streit ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von Engagement. Wenn wir offen diskutieren, ist für alle klarer, wer wir sind, welche Leistung wir liefern, was für uns Respekt untereinander bedeutet. Ja: Und auch, was wir uns in der externen Kommunikation nicht gefallen lassen.
Kurz: Wer gewinnen will, muss rennen. Aber wer am Ende keine Tore schießt, gewinnt auch nicht. Also, raus aus der sinnlosen Rennerei und rein ins Spiel. Mit Treffern, Teamgeist und der Bereitschaft, auch mal anzuecken.
Das ist, so meine ich, der Unterschied zwischen busy und Business.
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