Sie wollen Service Performance anders denken? Fahren Sie nach Japan!

Tatemae und das Geheimnis des japanischen Service-Gesichts

„Ganz anders, ziemlich fremd und… echt klasse Service Performance!“ Wie oft habe ich während meiner Asien-Sommerreise diesen Satz gedacht.

Als ich in Kyoto anreiste, bekam ich im Hotel ein kleines, dunkles Zimmer ohne Aussicht. Ich war kreuzunglücklich. Und, westlich wie ich bin, tat ich meinen Unmut höflich kund: „I am not happy at all and I really can not stay in that room!“ Das war natürlich nicht die in Japan übliche indirekte, super-höfliche Art der Servicekommunikation. Doch die Empfangsmitarbeiterin bewahrte Contenance. Sie telefonierte eine Weile und gab mir dann ein schönes Zimmer mit Blick auf den Tower. Auf mein erleichtertes Dankeschön antwortete sie vollkommen neutral und ohne mit der Wimper zu zucken: „That’s my service.“

Maskerade – ganz authentisch

Warum so steif? In schwierigen Situationen wird im japanischen Service viel Wert auf das Wahren des Gesichts gelegt: Entweder zeigen Mitarbeiter ein maskenhaftes Lächeln. Oder überhaupt keine Mimik. Das irritierte mich sehr, bis mir der Schlüssel zu diesem Rätsel begegnete: „tatemae“.

Das Wort „tatemae“ heißt so etwas wie „Maskerade“ und steht in Japan für die Kunst, sich in der Öffentlichkeit der eigenen Position und den Umständen gemäß zu verhalten. Auch wenn das den momentanen, echten Gefühlen zuwiderläuft. In Europa kennen wir ähnliche Konzepte: in Frankreich „Contenance“, in England die „stiff upper lip“. In Österreich heißt es: „Reiß di zam!“.

So perfekt wie in Japan gelingt uns Europäern die Maskerade nicht. So war ich irritiert. Bleibt bei allzu viel „tatemae“ nicht etwas Wichtiges auf der Strecke? Emotion? Charme? Ich liebe die typische Service Performance in Köln, Berlin, Paris, London, Wien – auch wenn er aus japanischer Sicht recht ungehobelt daherkommen mag.

Service Performance anders denken

Und, ganz ehrlich: Dann begeisterte mich „tatamae“ doch. Denn: Service braucht Haltung, und Haltung hat sehr viel mit Selbstdisziplin zu tun. Service in Europa könnte so oft so viel besser sein, wenn Mitarbeiter (und deren Chefs!) ihre Launen besser im Griff hätten. Gerade schwierige Service-Situationen ließen sich so viel schneller und besser entschärfen. Das ist Begegnungsqualität. Und das, denke ich, können wir von Japan lernen.

Service Performance anders denken – der Spagat zwischen „Emotionen rauslassen“ und „zam reißn“ ist in jeder Kultur eine Zerreißprobe. Wenn wir verstehen, dass weder der europäische noch der asiatische Service diesen Spagat auflösen, sondern nur mehr oder weniger elegant turnen kann… dann können wir die Service Performance voller Freude sportlich nehmen:

Service ist kein Projekt, Service ist eine Haltung!

Eine wunderbare Woche mit vielen freundlichen Service-Gesichtern wünscht Ihnen

Ihre Sabine Hübner

 

P.S.: Wäre nur schön, wenn sich der Kunde auch „zam reißn“ könnte. Das muss man nun auch einmal sagen: Die japanische Service-Perfektion funktioniert nicht zuletzt deshalb so gut, weil die japanischen Gäste, auch wenn sie mal stinksauer sein sollten, immer und immer nur… lächeln. Das könnten sich europäische Kunden gerne von Japan abschauen. Nur wäre es wohl unhöflich, ihnen das direkt zu sagen, oder?

(Bild: © terng99 / stock.adobe.com)