Servicemanagement: Achtung, Zielkonflikte!

Krack! Wer gerade ein Kind zur Welt gebracht hat, dem bricht schon mal ein Zahn durch, wenn er auf einen italienischen Mandelkeks beißt. Genau das ist meiner Nachbarin passiert. Im ersten Chaos nach der Entbindung konnte niemand den durchgebrochenen Zahn behandeln – also ignorierte sie die Baustelle und wartete, bis ihr Söhnchen einigermaßen stabil in dieser Welt angekommen war. Dann packte sie das winzige Baby in eine Trageschale, marschierte ohne Termin zum nächstbesten Zahnarzt und fand sich trotz eines berstend vollen Wartezimmers innerhalb von Minuten auf dem Zahnarztstuhl wieder. Niemand, wirklich niemand unter den Mitarbeitern und den wartenden Patienten zog die Augenbraue hoch. Das war Empathie pur – wahrscheinlich mehr dem Kind gegenüber als ihr, aber egal. Streng nach Serviceprozess war es natürlich falsch, die junge Frau zu bevorzugen: Wer keinen Termin hat, muss eigentlich am längsten warten. Realität und in diesem Fall goldrichtig war: Humanität geht vor Prozess. Und darüber waren alle glücklich.

Service ist kein Quickie

In großen Organisationen ist Servicemanagement komplex: Hier bekommen Mitarbeiter oft eine Zielvorgabe – ein Gespräch soll maximal X Minuten dauern, ein Kunde darf maximal X Minuten warten. Und gleichzeitig wird die Service-Offensive „Wow your customer“ gestartet. Was nun, wenn sich ein Problem nicht in Sekundenschnelle lösen lässt? Was, wenn der Kunde gerade jetzt eine große Portion Zuwendung und Empathie braucht? Speed oder WOW? Tempo und Glück – im Service passen diese beiden Variablen nur dann zusammen, wenn der Kunde es wirklich eilig hat. Per se ist Service kein Quickie. Wer seinen Servicehelden rigide Tempo-Vorgaben macht, da, wo sie dem WOW im Wege stehen, muss sich nicht wundern, wenn sie unter Zielkonflikten verunsichert ächzen.

Besonders sensibel: Sicherheit und Kosten

Besonders sensibel sind Zielkonflikte, wenn es um Sicherheit geht: Nimmt der Taxifahrer den Vater mit drei Kindern mit, obwohl er nur zwei Kindersitze im Auto hat? Oder wenn es um Kosten geht: Berechnet die Rezeptionistin einer physiotherapeutischen Praxis aus wirtschaftlichen Gründen eine kurzfristig abgesagte Behandlung – oder tut sie es nicht, aus Angst, den Patienten zu verärgern? Oder wenn es um Vertrauen geht: In der Gastronomie zum Beispiel sollen Gäste möglichst schnell bedient werden, aber es darf nicht jeder die Kasse betätigen. Was nun? Prozess sprengen und Gäste schnell bedienen oder Gäste warten lassen und Prozess einhalten? Strategisches Servicemanagement muss in diesen Spannungsfeldern Wegweiser aufstellen. Und zwar die richtigen.

Strategisches Servicemanagement

Der kurzfristige Fokus auf definierte KPIs führt Mitarbeiter oft genug in die falsche Richtung. Wenn sie es dann auch noch mit widersprüchlichen KPIs zu tun haben, sind sie vollends orientierungslos. Was an dieser Stelle hilft? Der Kontext zum langfristigen Unternehmensziel!

Im Taxigewerbe: „Safety first!“ Da gibt es dann überhaupt nichts mehr zu interpretieren. Beim Arzt: „Die freundlichste Praxis im Viertel“ – wenn die Mitarbeiter um dieses Ziel wissen, sind Entscheidungen einfach. Und heißt es in der Gastronomie: „Das A&O ist im Mittagsgeschäft, dass es schnell geht“, dann ist klar, dass nicht ein Mitarbeiter für die Kasse zu wenig ist.

Mitarbeiter brauchen Orientierung. Orientierung entsteht durch Kontext zum langfristigen Ziel und zu den Werten. Und Kontextbildung ist immer Managementaufgabe.

Also: Zerreißen Sie Ihre Mitarbeiter nicht mit Zielkonflikten.
Definieren Sie Ihr strategisches Servicemanagement! Schaffen Sie eine klare Richtung! Leben Sie diese Haltung vor. Schon haben Sie weniger Stress im Service und viel, viel mehr Freude.

Service ist kein Projekt, Service ist eine Haltung!

Eine wunderbar orientierte Restwoche wünscht Ihnen

Ihre Sabine Hübner

 

(Bild: © raphoto / stock.adobe.com)