Haltung heißt Handeln, auch wenn keiner guckt
Warum Service-Performance nur die halbe Miete ist – und wirkungsvolle Servicekultur Persönlichkeiten braucht
Es gibt zwei Sorten Mitarbeiter. Die einen setzen sich nur dann leidenschaftlich für den Kunden ein, wenn der Chef guckt. Und nur dann. Die anderen setzen sich zu 100 Prozent für den Kunden ein, ganz gleich, ob einer guckt oder nicht. Immer.
Wenn wir diese Beobachtung ein wenig abstrakter fassen, landen wir mitten im Fach Unternehmensethik: Wer im operativen Geschäft korrekt handelt, der verhält sich moralisch. Wer immer einer inneren Vorstellung von Herzlichkeit, Menschlichkeit, Gerechtigkeit, Aufrichtigkeit oder einfacher gesagt, einem „guten Leben“ folgt, der lebt eine Haltung. Anders gesagt: Im Unternehmen ist Verhaltenskultur das, was ich tue, wenn mir jemand auf die Finger schaut. Haltung ist das, was meine Handlungen auch dann leitet, wenn keiner hinsieht.
Haltung – warum hat die nicht jeder?
Warum schieben die einen Dienst nach Vorschrift, und die anderen tun so viel mehr, und das auch noch gerne? Es ist eine Frage der Haltung. Und Haltung ist eine Frage der Persönlichkeitsentwicklung: Die US-amerikanische Entwicklungspsychologin Jane Loevinger hat 40 Jahre lang den Verlauf unserer Ich-Entwicklung untersucht und daraus ein Modell abgeleitet. Zu Beginn sieht sie die wachsende Fähigkeit, Impulse zu steuern und sich selbst zu organisieren. Mit dem Beginn des Erwachsenenalters erreichen die meisten Menschen eine „gemeinschaftsbestimmte“ Stufe: sie richten sich an den Erwartungen anderer aus, fühlen sich einer Gruppe zugehörig und halten deren Regeln ein. Viele Mitarbeiter und auch viele Führungskräfte erreichen diese Stufe, entwickeln sich aber nicht darüber hinaus. Was die Entwicklung virtuoser Servicequalität schwierig macht.
Denn erst in den nächsten Entwicklungsstufen entwerfen Menschen eigene Prinzipien und schließlich selbst definierte Werte, Vorstellungen und Ziele. Und erst dann sind sie in Lage, aus vielen Perspektiven auf die Dinge zu schauen und zu akzeptieren, dass eben nicht jeder Mensch ganz genauso tickt wie sie selbst und dass sich nicht jede Paradoxie auflösen lässt. Weil das nicht leicht ist, erreichen die beiden höchsten Entwicklungsstufen nur 4 bzw. 1 Prozent der Menschen.
Service Performance braucht Persönlichkeit
Nun muss im Service nicht jeder ein Dalai Lama sein. Es ist schon viel gewonnen, wenn Mitarbeiter zumindest eigene Prinzipien und Werte entwickeln. Das gelingt in Unternehmen mit Führungskräften (und auch mit Coaches/Beratern), die in der Persönlichkeitsentwicklung ein oder mehrere Stufen weiter sind als das Team.
Persönlichkeitsentwicklung lässt sich mit Rollen-Entwicklung unterstützen: Wer Beschäftigte im Service in zu enge Rollenkorsetts und rigide Prozess-Abläufe zwängt, der hält sie in einer niedrigen Entwicklungsstufe fest und braucht sich nicht zu wundern, wenn diese Mitarbeiter das selbständige Denken sogar abschalten. Und auch jegliche Empathie. Warum sollen sie den Kunden gegenüber empathisch sein, wenn sie selbst nicht wertschätzend behandelt werden? Oder diese Qualität erst gar nicht gewünscht ist?
Persönlichkeitsentwicklung passiert nicht durch Information mittels Kurzzeit-Trainings – so lernt man Lächeln, Servieren, Krawattenknoten. Immerhin. Mehr aber nicht. Persönlichkeitsentwicklung passiert durch Transformation mit längerfristigen Reflexionsprozessen – so entwickeln Menschen Haltung. Dazu gehören viele Dialoge – das ist etwas anderes als ein Mitarbeitergespräch nach Schema F – das sind Begegnungen, die neue Perspektiven aufzeigen, das Denken öffnen, den Menschen zugleich flexibler in seinen Ansichten oder Vorannahmen machen und fester in seiner Haltung.
Für spezifische Rollen und Prozesse im Unternehmen heißt das: immer an die Ich-Entwicklung der Mitarbeitenden anpassen. Und wo diese Entwicklung erfolgreich verläuft, kontinuierlich Freiräume erweitern. Und für unsere Servicekultur bedeutet das: Verstehen wir Persönlichkeitsentwicklung als Booster für Servicequalität. Fördern wir Menschen. Statt nur Skills. Ich sage:
Haltung ist kein Projekt, sondern eine Lebensaufgabe.
Viel Freude dabei – und unterschätzen Sie nicht die große Macht der kleinen Schritte 😉
Ihre Sabine Hübner
[…] als „moralische Anstalt“ bezeichnet. Vielleicht sind Unternehmen heute auch so etwas: Hier wird Haltung gelebt, um Haltung gestritten, Haltung weitergegeben. Und damit sind wir beim Unternehmen als Ort […]
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