Warum der Hype um „Haltung“ nervt

Der Begriff „Haltung“ wird in PR und Politik aktuell so überstrapaziert, dass er zum Buzzword degeneriert ist. Verliert er dadurch an Wert? Im Gegenteil: Der Hype zeigt, dass wir viel präziser über Haltung streiten sollten. Denn nicht überall, wo Haltung draufsteht, ist auch Haltung drin…

Haltung, Haltung, Haltung: Eine Uhrenfirma wirbt mit dem Karl-Lagerfeld-Zitat „Elegance is an attitude“; ein Boulevardblatt preist seine Haltung auf Plakatwänden an; im Coronajahr 2020 boomten Purpose- und Haltungskampagnen für Politik und Produkte, für Handelsketten und Dienstleister. Wir erleben einen Hype um Haltung, der mich die Stirn runzeln lässt. Warum? Weil Haltung zur Worthülse wird, wenn jeder und alles Haltung ist. Das wird diesem hochrelevanten Thema nicht gerecht. Außerdem wird hier jede Menge durcheinandergebracht. Längst nicht überall, wo heute Haltung draufsteht, ist auch Haltung drin:

Service-Haltung macht den Unterschied

Wer Uhren mit dem Begriff Haltung bewirbt, der meint nur einen ganz bestimmten Aspekt dieses Begriffs: Habitus. Eine Uhr ist Ausdruck eines Lebensgefühls, eine Uhr ist ein Statusmarker. So weit, so richtig. Doch Haltung ist noch viel mehr.

Wenn eine Zeitung mit dem Begriff Haltung wirbt, meint sie eigentlich Gesinnung. Sie meint die Gemütlichkeit einer mit wohlsortierten Nachrichten gefüllten Filterblase, die die Weltsicht ihrer Zielgruppe bestätigt. Gesinnung oder Ideologie oder, einfacher gesagt: Meinung, lassen sich zwar als Haltung verkaufen, es fehlt aber etwas Entscheidendes: ethische Qualität. Es ist genau diese Qualität von ServiceHaltung, die mich schon seit 21 Jahren für dieses Thema brennen lässt:

  • Contenance: Das ist der Willen und die Fähigkeit, sich als Dienstleistende bewusst zurückzunehmen, um Kundinnen und Kunden in der Interaktion in den Mittelpunkt zu stellen. Es ist der Wille, dem anderen zuzuhören, statt immer nur selbst zu senden. Übersetzen Sie Contenance gerne mit Disziplin. Dienstleistung ist Leistung, und ohne Disziplin wird das nichts.
  • Reflexion: Zu Service-Haltung gehört, offen zu sein für Gedanken und Gefühle, Bedürfnisse und Sehnsüchte, Erfahrungen und Pläne – und zwar bei meinem Gegenüber und bei mir selbst. Das ist die Voraussetzung für wertvolle Menschmomente. Und dann gilt es, diese Eindrücke zu reflektieren: Was ist für den Kunden wahr, was ist nützlich, was ist schön? Was sehe, fühle, denke ich anders und warum? Welche Interaktion ist prozesslogisch notwendig, ist ökonomisch sinnvoll und ist professionell angemessen? Ich meine: Den größten Unterschied macht die permanente Bereitschaft zur Reflexion. Denn es kommt immer anders, wenn man denkt.
  • Handeln statt Reden: Service-Haltung heißt, in der Tat das Richtige für den Kunden in die Wege zu leiten, statt ihn etwa im Leitbild nur verbal in den Mittelpunkt zu stellen. Haltung braucht Handlung! Nur so verändert sich etwas für den Kunden. Das, was mich aktuell so stört, ist genau das: die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit – überall.

Kundenbindung durch exzellenten Service verbessern

Contenance, Reflexion, Handeln statt Reden: Diese Qualitäten von Service-Haltung machen den Unterschied. Handlungsleitend ist dann nicht meine betonharte Meinung „Der Kunde braucht…!“, sondern meine ergebnisoffene Neugier: „Was könnte das Kundenanliegen sein?“ „Welche professionellen Möglichkeiten habe ich, ihn in diesem Anliegen zu unterstützen?“ Vielleicht ist es etwas anderes als das, was ich zunächst vermutete. Vielleicht braucht es Kreativität und Mut, um eingefahrene Prozesse zu überwinden, um so zu einem besseren Ergebnis für den Kunden zu kommen. Kurz:

  • Reden statt Handeln, im Zweifelsfall alles weiter so zu sehen, wie man es schon immer sah und sich hauptsächlich um sich selbst drehen – das ist für mich Larifari-Haltung und Haltungs-Mogelpackung, aber keine echte Service-Haltung.
  • Service-Haltung meint Handlung, meint Reflexion und Contenance. Es meint die professionelle Fähigkeit und Bereitschaft, die Welt in Bewegung zu setzen. Für den Kunden.

Service-Haltung, so wie ich sie verstehe, ist der unbedingte Wille, für den Kunden das Richtige zu tun. Beherzt, mit Hirn und Hand. Genau das meine ich, wenn ich von Customer Wow! Experience spreche. Ob das nicht anstrengend ist, möchten Sie wissen? Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, meine ich: Mit Haltung ist Service keine Last, sondern Lust. Wie sehen Sie das?

Bildquelle: photocase / FemmeCurieuse