Der wundersame Zauber von Freundlichkeit

Ja, ich bin manchmal deutlich und als Kundin – nennen wir es liebevoll „anspruchsvoll“ – und ganz selten sogar richtig zickig. Zum Beispiel, als ich letztes Jahr in Wangen im Allgäu im Hotel „Mohren Post“ das mickrige Einzelzimmer bekam, weil die Mitarbeiterin Mitleid mit dem 2 Meter Mann hatte, der nicht in das 80 cm – Bett passen wollte und sie ihm deshalb MEIN Doppelzimmer gab, und dann noch alles schief ging, was so schief gehen kann! Ich verfasste wutentbrannt einen Blog-Artikel  Tue dem Kunden nix Gutes und schickte dem Hotelier den Link. Mit dem Ergebnis, dass er mir schrieb und mich zum Essen einlud. Nein, ich ließ mich nicht einladen, ich bin unbestechlich, aber ich ging bei meinem nächsten Termin hin, und wir redeten miteinander. Wir führten ein richtig gutes Gespräch. Das versöhnte mich. Im Moment arbeite ich wieder einige Tage für meinen Kunden im Allgäu, und ich gab der „Mohren Post“ noch einmal eine Chance – dieses Mal entschied ich mich für das „Grafenzimmer“. Als ich am Montagabend spät anreiste, empfing mich eine Mitarbeiterin herzlichst und half mir mit dem Gepäck. Als ich noch ein Glas Weisswein mit ins Zimmer nehmen wollte, sagte sie direkt „Wieder den Weissburgunder?“ und dann „Morgen kommt eine größere Gruppe Radfahrer zum Frühstück. Wir haben für Sie  einen schönen Einzeltisch reserviert, damit Sie Ihre Ruhe haben“. Ein wenig schwingt in jedem Satz mit: „Bloß alles richtig machen“.

Im Bad brannte Licht, das überraschte mich schon ein wenig. Aber erst auf den zweiten Blick entdeckte ich, dass das Bad gar nicht gereinigt war. Vergessen, mittendrin unterbrochen oder was auch immer. Ich ging wieder in die Gaststube hinunter und reklamierte freundlich, dass mir die Bartstoppeln im Waschbecken nicht so gut gefallen würden. Die Mitarbeiterin reagierte in ihrer Allgäuer Natürlichkeit „Um Goootttttes Willllllle, ich kümmere mich gleich“. Zwei Minuten später klopfte sie an meine Tür „In 10 Minuten ist die Kollegin da und macht alles sauber“. Genauso war es dann auch. Die Kollegin entschuldigte sich auch zig Mal. Ich sage gelassen „Jedem passiert mal ein Fehler, ist schon gut, Danke“, und denke mir „Eigentlich mag ich mich lieber, wenn ich freundlich bin.“

Und während ich diese Zeilen schreibe, weiss ich natürlich schon, dass ich das nicht immer hinkriege. Dass es wieder Momente geben wird, in denen ich sehr klar und unmissverständlich reagiere, weil ein Mitarbeiter sich respektlos verhält oder ein Unternehmen meine wertvolle Lebenszeit stiehlt, weil einfach nichts funktioniert. Aber die Summe unserer Reaktionen entscheidet am Ende darüber, wie wir uns fühlen, über unsere gute Laune und unsere Leichtigkeit. Und ich denke an den Tipp, den ich immer meinen Teilnehmern mit auf den Weg gebe: „Wenn jemand unfreundlich ist, bestrafen Sie ihn mit Freundlichkeit.“ Freundlichkeit hat eine wundervolle Wirkung. Sie schafft magische Momente, und sie nützt am Ende immer einem selbst.

Ich freue mich schon wieder auf die „Mohren Post“ nächste Woche, mein Grafenzimmer, die schwäbische Seele zum Frühstück und den besten Cappuccino der Welt.