Alarmstufe Rot im digitalen Kundenservice

Was Autofahren und Twitter gemeinsam haben und warum wir Service Rage auf Twitter immer häufiger erleben werden

Es passiert wieder und wieder: Service-Mitarbeiter rasten aus. Und dann stehen solche Sätze im Netz: „Die einzige Scheiße hier ist Ihr Rumgeheule.“ Gepostet nicht vom Klempner um die Ecke, sondern aus der Twitter-Zentrale eines DAX-Unternehmens. Ist wirklich passiert. Das war nix, das ist nicht produktiv.

Doch, ganz ehrlich? Wir alle wissen, wie sich „ausrasten“ anfühlt. Ich sage nur: Road Rage. Der Verlust jeglicher Haltung hinter dem Steuer. Raserei, Fluchen, Hupen – dieses mehr oder weniger gepflegte Austicken in unseren hermetisch abgeriegelten Kisten namens Auto passiert uns, weil hier Anonymität, eine gewisse Unangreifbarkeit hinter der Scheibe und Stress zusammenkommen.

Darf einfach nicht passieren: Service Rage

Noch nicht in diesem Zusammenhang gedacht, aber vergleichbar: Service Rage. Da passiert etwas ganz Ähnliches Verlust von Haltung, keine Angst vor direktem Gegenschlag durch gefühlte Unangreifbarkeit hinter dem Bildschirm. Passiert vor allem den Persönlichkeiten, die sich ohnehin schnell ärgern. Nun könnte man sagen: Wüteriche gehören halt nicht an die Service Hotline. Doch das ist zu einfach gedacht. Service Rage kann jedem passieren.

Was hilft? Anger Management. Nur, weil in anderen Bereichen des öffentlichen Lebens jegliche Contenance über Bord geworfen wird, heißt das nicht, dass das im Service auch geht. Es geht nicht. Niemals. Ich sage: Nehmt Wüterichen Twitter weg, bis sie Contenance geübt haben. Zum Beispiel so:

  • Zählen: Statt zu loszuschimpfen, erst einmal zählen. Bis 10. Wenn’s noch nicht reicht, bis 50.
  • Atmen: Bewusst ausatmen. Gesichtsmuskulatur lockern. Schulter lockern.
  • Schreiben: Ärger auf einen Zettel schreiben, diesen zerknüllen und in die Hosentasche stecken. (Nein, bitte nicht auf dem Schreibtisch liegenlassen…)
  • Aufstehen, rausgehen. Am besten an die frische Luft. Über Treppen rennen, bis der Adrenalinspiegel sinkt.
  • Mal kurz überlegen: Wird irgendein Kunde wirklich freundlicher/klüger/rücksichtsvoller/pünktlicher, wenn Sie sich so aufregen?
  • Abstand schaffen: Stellen Sie sich vor, Sie beobachten sich selbst aus der Perspektive einer Fliege auf der Gardinenstange. Und? Wie sehen Sie so aus, als Wüterich?
  • Lächeln, auch wenn Ihnen nicht danach ist: Lächeln macht glücklich.

Den letzten Punkt haben japanische Service-Mitarbeiter perfektioniert. Ich habe es während meiner gesamten Service-Reise durch Japan nicht ein einziges Mal erlebt, dass hier jemand seine Contenance verloren hätte. Allerdings gibt es in Japan auch einzigartige Ventilsitten zum Dampf-Ablassen. Ich sage nur… Karaoke. Und stelle mir gerade die neue Service-Center-Regel vor: „Wer sich nicht anständig benimmt, darf vorsingen.“

Ob das hilft? 😉

Eine tiefenentspannte Servicewoche wünscht Ihnen

Ihre Sabine Hübner

(Bild: © Rawpixel.com / stock.adobe.com)