Service-Stress: Hilfe, die Kunden rasten aus!

Rempeln, spucken, schreien: In jüngster Zeit benehmen sich immer mehr Kunden total daneben. Mitarbeitende im Service verlieren die Nerven, gehen auf dem Zahnfleisch, kündigen. Kann man da etwas tun? Man kann. Ich hätte hier einige Service-Stress-Stopper für Sie…

Dass die 84-jährige Patientin absichtlich eine Krankenschwester rempelt, damit rechnet man nicht. Auch nicht damit, dass der Kunde im Baumarkt den Mitarbeiter bespuckt, nur weil der ihn höflich um die Mitnahme eines Einkaufswagens bittet. Und auch nicht damit, dass sich zwei Café-Besucher prügeln, weil der eine dem Rucksack des anderen zu nah gekommen ist. All das ist aber passiert, in Düsseldorf, Frankfurt, Ulm, in der vergangenen Woche. Und auch viele meiner Kunden beklagen Dünnhäutigkeit und Aggression bei ihren Kunden. Sie suchen Rezepte, dieser Situation Herr zu werden und gleichzeitig Kundenorientierung zu leben. Was ist da los? Und was können Service Mitarbeitende tun, wenn’s im Laden mal wieder brennt?

Service-Stress hat viele Gesichter

Was los ist, das ist klar: Stress. Geballter Stress. Was viele nicht wissen: Es gibt nicht nur eine Sorte Stress, sondern viele. Zum Beispiel:

  • Säbelzahntiger-Stress: Das sind kurzfristige Stressoren wie Schrei- und Trotzkunden, Stromausfall, umstürzende Sonnenschirme. Unsere Reaktion ist seit der Steinzeit praktisch unverändert: Angriff, Flucht oder Schockstarre.
  • Durststrecken-Stress: Der greift langfristig und ist besonders schlimm, wenn man nicht weiß, wann der Stress vorbei ist. Stichwort Pandemie! Der Stress ging los mit leeren Supermarktregalen, ging weiter mit endlosen Lockdown-Monaten, Isolation und Einsamkeit, Existenzsorgen und Virusangst, Wut auf alles und jeden, Zoom-Fatigue und Schlafstörungen, Bewegungsmangel und zu viel Pizza, jetzt dreht der Stress hochtourig zwischen Tests und Impfung, Schließung und Lockerung, Urlaub und Storno. Und er hört und hört nicht auf.

Dazu kommt eine weitere Unterscheidung:

  • Stress von außen: Termine, Leistungsdruck, aggressive Kunden, Nachbarn oder Familienmitglieder, sengende Hitze und Starkregen, Homeschooling, Lärm und… Viren. Das alles ist „exogener Stress“.
  • Stress von innen: Hier geht es um Versagensangst, Wut, Scham, Konflikte, innere Anspannung, endlose Grübeleien und negative Selbstgespräche. Das alles ist „endogener Stress“.

Was das mit uns macht, zeigt uns das Beispiel „rempelnde Oma“: Nach Wochen (Durststrecke) voller Impfstress in der Arztpraxis (Stress von außen) wird eine Oma gewalttätig (Säbelzahntiger) und trifft auf eine Mitarbeiterin, die sich vielleicht mit Selbstvorwürfen quält (Stress von innen), weil die Tochter das Corona-Schuljahr nicht gepackt hat. Und jetzt? Sind Pauschaltipps wie: „Achten Sie auf Ihre Selbstfürsorge!“ meistens wenig hilfreich. Da braucht es für jeden Stress einen anderen Hebel:

  • SOS-Programm gegen Säbelzahntiger: Hier gilt es, die überschießenden Stresshormone in den Griff zu bekommen. Das geht auf zwei Wegen. 1. Rennen: zum Beispiel Treppe hoch, Treppe runter. 2. Tief und langsam atmen. Googeln Sie „Panik“ und „Atmen“ und suchen Sie sich ein SOS-Programm aus. Oder probieren Sie Meditations-Apps aus. Es wirkt.
  • Stress-Stopper für Durststrecken: Je nach Konstitution werden die einen bei Dauerstress aggressiv, die anderen werden apathisch. Was gegen den Langzeit-Stress hilft: 1. Die Arbeit so organisieren, dass sie zu schaffen ist. Wenn das aus Gründen des Ressourcenmangels nicht geht, dieses Problem nicht schweigend durch mehr Anstrengung kompensieren, sondern nach oben eskalieren. 2. Sich selbst und den Mitarbeitenden die Hintergründe der Situation klarmachen. Vor allem die Grenze zwischen dem, was dem eigenen Einflussbereich unterliegt (individuelle Ebene) und dem, was man oft nicht komplett selbst beeinflussen kann (strukturelle Ebene). 3. Sich zurückbesinnen auf den eigenen „Purpose“: Warum liebe ich meinen Job? Das ist die Trias „Handhabbarkeit – Verstehbarkeit – Sinnhaftigkeit“ aus dem berühmten Salutogenese-Modell von Aaron Antonovsky. Wirkt.
  • Schluss mit dem Stress von außen: Hier hilft miteinander reden und neue Antworten finden. Wie können wir den Anforderungen begegnen? Was können wir besser machen? Wie können wir Stress vermeiden? Wo brauchen wir externe Hilfe? Reflexion hilft.
  • Schluss mit dem Stress von innen: Wenn Stress von innen kommt, lässt er sich auch von innen abstellen. Das Netz ist voll von Ideen, wie sich das Grübelkarussell stoppen lässt. An dieser Stelle hilft auch gemeinsame Reflexion: Welche Service-Haltung habe ich? Kann ich die Ansprüche an mich selbst unter den bestehenden Rahmenbedingungen überhaupt verwirklichen? Und wenn nicht: Wie gehe ich mit dieser Diskrepanz um? Hier hilft Reflexion – und wenn das Grübelkarussell durchdreht, hilft manchmal auch De-Reflexion. Also Gedankenstopp.

Die neue Kernkompetenz: Professionelle Coolness

Angenommen, unsere angerempelte Krankenschwester verfügt über all diese Service-Stress-Stopper. Was dann? Dann atmet sie nach dem Rempler erst einmal laaaaaaange aus. Sie holt sich eine Kollegin als Beistand. Sie sagt: „Es sind harte Zeiten, wir sind alle gestresst. Aber bitte, Frau XY, so gehen Sie bitte nicht mit mir um. Sie können sich jetzt ins Wartezimmer setzen und sich dort beruhigen, oder Sie können die Praxis verlassen und sich draußen beruhigen.“ Wichtig: Keine Mitarbeiterin nimmt den Angriff persönlich, keine fängt an, sich in Selbstzweifeln zu zermartern, jede konzentriert sich auf das, was aus professioneller Sicht jetzt zu tun ist.

Das ist es, was ich mit Service-Haltung meine.
Diese Haltung ist der beste Service-Stress-Stopper überhaupt.
Sagen Sie gerne auch: professionelle Coolness.

Ganz klar: Es ist eine stressige Zeit. Die Nerven liegen blank. Service-Stress-Stopping wird zu einer neuen Kernkompetenz. Und die ist anspruchsvoll. Die eigene Stressreaktion managen, Salutogenese einschalten, Reflexion und De-Reflexion: Der professionelle Umgang mit Stress erfordert eine tiefgreifende und umfassende Weiterentwicklung von Service-Haltung und oft auch Service Design. Das ist nicht an einem Halbtag erledigt, aber es ist machbar. Und wenn Sie es smart angehen, ist es auch mit Ihren individuellen Ressourcen machbar. Ich hätte folgenden Ideen für Sie:

  • Sie gehen das Thema Stress strukturiert und langfristig an: Mit welearning für Ihre Teams über einen Zeitraum Ihrer Wahl oder als BOOST innerhalb von 12 Wochen.
  • Sie setzen auf die Selbststeuerung Ihrer Teams: Sie wählen lediglich eine Person aus, die Sie als internen Service Coach fitmachen und die das Team durch den Lernprozess führt.
  • Sie machen Ihre Schnittstellen stressfest: Mit Touchpoint-Optimierung.
  • Bei Bedarf holen Sie sich zusätzlichen Input: Maßgeschneidert, wirkungsvoll und genau auf den Punkt.

Übrigens geht es beim Thema Service-Stress nicht nur um Kundenbegeisterung. Es geht um viel mehr: die Gesundheit Ihrer Mitarbeitenden. Denn mangelnde Abwehrkraft gegen Stresskunden und ewige Durststrecken können auf die Psyche schlagen (Burnout, Depression), sie machen das Herz-Kreislauf-System kaputt und die Immunabwehr, sie machen unaufmerksam und vergesslich. Und wenn Mitarbeitende so „durch“ sind und womöglich noch reihenweise ausfallen, dann wird das nichts mit dem Serviceglück. Also: Verhelfen Sie Ihren Teams zu dieser besonderen Mischung aus

  • entwaffnender Herzlichkeit,
  • starker Service-Haltung und
  • professioneller Coolness.

Sie können vielleicht nicht verhindern, dass Ihre Kunden durchdrehen. Aber Sie können sehr viel für die Stress-Resistenz Ihrer Teams tun. Und das lohnt sich für alle. Langfristig.

Interessiert? Sprechen Sie mich gerne an

Bildquelle: estherm / photocase.de