Datenbrillen: Smarter Durchblick im Service
Smart Glasses setzen der schlimmsten Sollbruchstelle im Kundenkontakt ein Ende: dem „Sorry-ich-muss-im-System-nachschauen“-Moment. Warum ich im Kundengespräch eigentlich nicht von einer hässlichen Datenbrille gescannt werden möchte – und ich jetzt doch neue Perspektiven sehe…
Meine Oma gehörte zu den Menschen, die Dich drei Sekunden anschauen und dann genau wissen, ob Du Durst, kalte Ohren oder etwas ausgefressen hast. Als Kind fand ich diese Fähigkeit beindruckend, wenn auch nicht nur vorteilhaft. Man möchte nicht immer durchschaut werden…
Dass Menschen sich unangenehm beobachtet fühlten, war jedenfalls ein Grund für das Scheitern der ersten Generation Smart Glasses: Google hatte 2014 den Anfang mit „Google Glass“ gemacht, einem futuristischen, aber klobigen Modell, dem man die integrierte Kamera deutlich ansah. Zu deutlich. 2016 folgte Microsoft mit dem Modell „HoloLens“: ein Riesenschritt nach vorn, projizierte doch diese smarte Brille Objekte in 3D-Anmutung direkt in den Raum. Leider war dieses Ding derartig riesig und teuer, dass es für den Massenmarkt untauglich blieb. Leichter, hübscher und alltagstauglicher kamen zum Beispiel Snapchats „Spectacles“ daher, doch den in den Brillenbügeln gut sichtbaren Kameralinsen wollte sich doch wieder niemand aussetzen.
Wie Digitalisierung Service verändert
So wanderte die erste Generation der Datenbrillen raus aus dem Alltagsgeschäft und hinein in Spezialanwendungen: Reparaturservice für Maschinen, Echtzeit-Information für Ärzte und Pflegekräfte, Standortinformationen und Verkehrsnachrichten für Logistiker. So lassen sich heute vor allem technische Probleme schneller, günstiger und aus der Ferne lösen. Schön und gut.
Nur: War’s das schon? Bleibt die Datenbrille nichts weiter als das schlechtere Smartphone für die Nase? Oder kommt da doch noch das nächste große Ding? Gerade für Use Cases im Service, so meine ich, liegt der Nutzen von Datenbrillen auf der Hand:
- Information: Im Kundengespräch blendet die Datenbrille auf Wunsch Hintergrundinformationen zu bestimmten Produkten und Projekten, oder zu Plänen und Vorlieben spezifischer Kunden ein.
- Empowerment: Noch während der Kundeninteraktion informiert die Datenbrille, welcher Budgetrahmen für Mitarbeitende zur Verfügung steht und steckt so einen konkreten Freiraum ab. So agieren Mitarbeitenden souveräner – und durch den Wegfall von Abstimmungsrunden laufen Serviceprozesse schneller.
- Training: Die Datenbrille führt Schritt für Schritt durch ein Projekt – sei es eine Reparatur, eine medizinische Anwendung oder eine Zimmerreinigung.
- Gesundheit: Die Datenbrille kontrolliert geeignete Gesundheitsdaten und schlägt bei Bedarf Pausen oder Bewegung vor.
So hätten wir endlich die schlimmste Sollbruchstelle des Kundenkontakts ausgehebelt: den „Sorry-ich-muss-im-System-nachschauen“-Moment. Mit einer Datenbrille müssten Mitarbeitende nicht mehr vom Kunden weg in einen externen Bildschirm schauen, sondern könnten durch den Bildschirm hindurch mit dem Kunden in Kontakt bleiben. Stichwort „Menschmoment“.
Digital oder persönlich? Wirkungsvolle Servicekultur muss beides umfassen
Da fällt mir ein: In smarten Automodellen gibt es heute Kameras, die herausfinden, welches Restaurant Sie in Ihrer nächsten Pause bevorzugen. Könnte man so etwas nicht auch in Smart Glasses…? Spätestens an dieser Stelle stehe ich mental wieder vor meiner Oma, die mir meinen Durst gerne ansah, bevor ich selbst draufkam. Und frage: Möchte man das wirklich?
Spontane Antwort: nein. Ich persönlich kann mir keinen beglückenden Menschmoment im Service vorstellen, wenn mich ein Mitarbeiter mit einer riesigen Datenbrille abscannt, um mir dann ein Glas Tee aufzudrängen. Und doch: Die nächste Generation der Datenbrillen ist schon am Start. Viel schlanker, viel smarter, fast schon schön.
Die Telekom zum Beispiel arbeitet mit Zeiss an einem vielversprechenden Modell: „Tooz“. Zusammen mit Vodafone vermarktet die Telekom außerdem das chinesische AR-Sonnenbrillenmodell „Nreal Light“. Und Facebook schraubt gemeinsam mit EssilorLuxottica an einer smarten „Ray-Ban“. Vielleicht machen solche Datenbrillen Mitarbeitende im Service eines Tages nicht nur smarter, souveräner und schneller, sondern auch cooler? Und statt ewig in ihren Rechnern nach den passenden Daten zu stochern, hätten sie dann endlich Zeit, sich um das zu kümmern, was eigentlich ihre Aufgabe ist: Service?
Ganz ehrlich: Darauf freue ich mich. Und wenn ich mich durch die Datenbrille doch zu sehr beobachtet fühle, besorge ich mir meine eigenen Smart Glasses und schaue durch meine eigene Datenwelt zurück. Was dann wohl passiert? Was meinen Sie?
Ihre
Sabine Hübner
PS: Sie haben noch keine Smart Glasses und setzen auf die Service-Haltung Ihrer Mitarbeitenden? Dann haben wir viele gute Ideen und Tools für Sie. Pick & Match unter www.forwardservice.de oder rufen Sie uns einfach gerne an – so ganz „old-fashioned“. Was Sie erwartet? Auf jeden Fall eine sympathische Servicestimme 😉 +49 211 39029530
Quellen:
https://www.wiwo.de/my/technologie/digitale-welt/zeiss-und-deutsche-telekom-diese-daten-brille-kann-alles-ausser-cool/27207460.html?ticket=ST-3824552-heeIFaI0L21qXSp9keLY-ap1
https://www.telekom.com/de/blog/digitale-zukunft/artikel/smart-glasses-science-fiction-zum-anfassen-624100
https://www.eyebizz.de/brillen/smart-glasses-wann-kommt-der-durchbruch/
Bildquelle: spacejunkie / photocase.de
Schön endlich mal was zum Thema AR hier bei Ihnen zu lesen.
Wir nutzten AR-Brillen in unserem Service seit letzten Jahr und konnte hierbei durch unsere Mitarbeit im Forschungsprojekt PersonA einiges in unser Servicekonzept übernehmen.
Aus meiner persönlichen Erfahrung als Servicetechniker ist AR eine der besten Möglichkeiten Mitarbeiter oder Kunden bei komplexen Problemen zu unterstützen.
Aber vieles was man in den üblichen Kanälen sieht sind oft gut gemachte Marketing Präsentationen.
Realität sieht halt schon anders aus.
AR funktioniert halt nur bei ausreichend guter Mobilfunkverbindung und da ist halt in Deutschland Luft nach oben.
Danke für Ihr Feedback aus der Praxis, lieber Herr Lorenz. Und ja, ohne eine gute Mobilfunkverbindung ist alles nichts. Wo sehen Sie den größten Vorteil und wo sehen Sie Grenzen für AR? Ganz liebe Grüße, Sabine Hübner