Service-Trends 2022: 5 Dinge, die Sie über Ihr Business wissen sollten

2022 ist da – und alles bleibt anders! Nur wie genau? Ich sehe eine Reihe von Paradoxien, die Menschen und Unternehmen unter Spannung setzen und halten werden. Was heißt das für Sie? Wo liegen die Fallstricke? Wo die Chancen? Hier meine Trendprognose. Zweiter Teil: Ihr Unternehmen.

1. Micro-Moment-Selling vs. nachhaltige Kundenbindung

Es geht Ihrer Zielgruppe genau wie Ihnen: Von früh bis spät prasseln Informationen auf Sie ein, Sie bohren Engstellen auf und managen Chaos, und dann haben Sie und Ihr Team auch noch permanent gute Ideen! Also suchen Sie im Netz nach der perfekten, preisgünstigen und pfeilschnellen Lösung. Der Druck ist groß, der Geduldsfaden kurz und das Zeitfenster, in dem Sie offen sind für Angebote, nur wenige Sekunden klein – und das ist es, was Google als „Mikromomente“ bezeichnet.

Laut Forbes werden Unternehmen im Jahr 2022 stark in Technologien investieren, diese Momente zu erkennen und in Umsätze zu verwandeln. Dahinter steht zwar ein starker Service-Gedanke, aber auch eine alte Powerselling-Fantasie: der Quickie mit dem Kunden. Das mag kurzfristig Umsatz bringen, langfristig erfolgreicher ist allerdings der Aufbau nachhaltiger Kundenbeziehungen: der Weg zur Lieblingscompany und Love-Brand mit dem Traumziel Abomodell. Und was jetzt? Quickie oder Lebensabschnittspartnerschaft? Ich sage: Warum „oder“? 2022 werden diejenigen gewinnen, die Umsatznotwenigkeit und Nachhaltigkeitsgebot nicht als Gegensatz verstehen, sondern als Traumpaar.

2. Metaverse vs. Menschmoment

Die Servicewelt „Innenstadt“ hat sich längst in die hyperreale Parallel-Welt der Shopping Malls verlängert. Dort entwickelte sie sich vom Bunker auf der grünen Wiese zu urbanen Customer-Experience-Raum. Die kommende Mutation verdoppelt die Mall im Metaverse. Die ersten Grundstücke sind schon verkauft, die ersten Geschäftsmodelle schon ersonnen. Hier gibt es neue Services, neue Produkte, neue Möglichkeiten der Interaktion und Kollaboration. Und neue Menschmomente – nun von Avatar zu Avatar. Noch ruckeln die Pixel, und wie im Metaverse mit Hatespeech umzugehen ist, werden wir auch erst lernen müssen – doch die Richtung ist klar.

Die Paradoxie: Je perfekter die virtuelle Service-Parallelwelt funktioniert, desto sicherer kommt die gegenläufige Entwicklung. Virtuelle Begegnungen werden Standard – und Menschmomente das neue Premium. Und auch hier meine ich: Warum „oder“? Es gilt jetzt, reale Möglichkeitsräume nahtlos mit virtuellen Räumen zu verbinden. Die neue Partnerschaft zwischen WPP und Snap Inc. unter dem Namen „The AR Lab“ zeigen, wo die Reise hingeht: immersive Kundenerlebnisse mit Augmented Reality. 2022 sind hybride Erlebniswelten keine Zukunftsmusik, sondern Realität. Sie eröffnen für Services eine neue, geradezu grenzenlose Welt.

3. Virtual Chat vs. Real Talk

Immer mehr Menschen stellen immer mehr Fragen über immer mehr Kanäle und wollen ihre Antwort immer schneller. Wenn die nicht kommt, sind sie weg. Laut einer Umfrage von Kustomer erwarten 85 Prozent der US-Verbraucher schnelleren Service. 67 Prozent brechen die Geschäftsbeziehung ab, wenn sie warten müssen.

Auf diesen Druck reagieren Unternehmen mit automatischen Sprachassistenten – und erzeugen jede Menge Frust, weil Kundenfragen und vorgestanzte Antwortrubriken nicht zusammenpassen. Kommt dann endlich doch ein direktes Gespräch zusammen, knallt es: Anrufende sind maximal genervt, Call-Center-Agents gefrustet. Ein klarer Fall von Das-ging-nach-hinten-los, mit dem Unternehmen nicht nur Kunden verprellen, sondern auch ihre eigenen Agents. Die Fluktuation ist riesig.

Drei gute Nachrichten: Erstens soll mit KI alles besser werden. Smarte Engagement-Tools wollen Kundendaten mit Sprachanalyse verbinden und so in der Lage sein, sogar unausgesprochene Kundenwünsche zu verstehen – und zu bedienen. Zweitens wird es lukrativ: PwC Deutschland prognostiziert einen Boom für Contact-Center-Services und Customer-Relationship-Management. In Deutschland soll der Gesamtumsatz von 11 Milliarden Euro im Jahr 2018 auf 13,2 Milliarden Euro im Jahr 2022 wachsen. Drittens wird’s amüsant: Nvidia verwandelte jüngst den eigenen Chef Jensen Huang in einen verblüffend gelungenen Toy-Story-Style-Avatar seiner selbst, der via KI in Echtzeit Fragen beantworten kann. Das ist smarter Service mit echten Unterhaltungsmehrwert. 2022 wird zeigen, ob datengestützter Kundendialog wieder nur zu neuen Absurditäten führt oder den nächsten Sprung schafft: gefühlte Empathie und Humor!

4. Lieferbotisierung vs. New War for Talents

Tschüss, Chef! Unternehmer staunend vor einem neuen Phänomen: Ihre Workforce will nicht mehr. In den USA kündigen Monat für Monat rund vier Millionen Amerikaner ihren Job. Was sie suchen? Flexiblere Bedingungen, bessere Bezahlung, raus aus den überteuerten Städten. Unter der „Great Resignation“ ächzen auch hierzulande vor allem die Servicebranchen mit hohem Infektionsrisiko: Gastgewerbe, Gesundheitswesen, Einzelhandel.

Die Personalnot ist so groß, dass Bringdienste Anmeldeprämien für neue Radkuriere zahlen. Und selbst in Grömitz und Walsrode wurden erste Robokellner gesichtet. Was das für Service heißt? Ich meine: Im harten Kampf um Talente und Profite dürfen wir nicht das wichtigste aus dem Blick verlieren – das Serviceerlebnis des Kunden. Auch 2022 wird der entscheidende Bottleneck nicht der Fachkräftemangel sein, sondern die Kundenbegeisterung. 2022 gilt es deshalb, auf beide Fragen zugleich eine exzellente Antwort zu finden: WER bringt‘s zum Kunden? Und WIE bringt er es?

5. Purpose Talk vs. Service Empowerment

Immer höhere Kundenansprüche – immer weniger Mitarbeiter? Da hilft nur höhere Effizienz. Ein technischer Weg dahin führt über Workforce Engagement Management-Software. Gartner sieht hier einen milliardenschweren Markt und neue Möglichkeiten, das Management von Personal, Aufgaben und interner Kommunikation zu automatisieren. Ein auf den Menschen fokussierter Weg führt über Service Empowerment via gemeinsame Reflexion.

Das Ergebnis: weniger repetitives Kleinklein, weniger Frust und mehr Zeit für echtes Engagement im Sinne der Kunden, für kreative und strategische Aufgaben. Das bringt Mitarbeitenden ein enormes Plus an Abwechslung und Autonomie, an Selbstwirksamkeit und individueller Erfahrung von – ja: Sinn. Ich meine: Genau das ist es, was aus einem Serviceberuf eine Berufung macht. Das stärkt die Haltung hinter der Handlung.

Wir kommen zu den besten Ergebnissen, wenn wir Möglichkeitsräume für die Leistung schaffen, die unsere Mitarbeitenden von sich aus zeigen wollen. Wenn das gelingt, braucht es Purpose aus der PR-Küche nicht. Und das ist ein Punkt, den wir als Unternehmer im Jahr 2022 genauer unter die Lupe nehmen sollten – und der mir sehr am Herzen liegt.

Im ersten Teil meiner Trendprognose kam ich zu dem Schluss, dass es 2022 um Customer Experience in höchster Intensität gehen wird, digital und persönlich – um eine neue Art der „hybriden Kundenliebe“. Das ist die erste Herausforderung. Die zweite wird für viele Unternehmer neu sein: Es braucht eine begeisternde Workforce Experience, sonst sind die Talente weg – und dann die Kunden. Sie kennen mein Credo:

„Nur was innen glänzt, kann außen funkeln.“

Wie sehen Sie das?