Selbstwert befeuert Service
Vor einigen Wochen lauschte ich Thomas Müller. Er ist Kriminalpsychologe und war an der Auflösung von über 1.000 Tötungsdelikten beteiligt. In seinem Vortrag sprach er über Mitarbeiter, die plötzlich auf eine kriminelle Bahn geraten und ihrem Arbeitgeber Schaden zufügen, zum Beispiel Daten klauen oder Geld unterschlagen und darüber, wie Führungskräfte Signale frühzeitig erkennen könnten.
Menschen ziehen ihr Selbstwertgefühl aus drei Bereichen.
Die Kernbotschaft war, dass in jedem seiner Fälle Wertschätzung eine zentrale Rolle spielte.
1. Was bin ich in meiner Arbeit wert?
2. Welche Bedeutung habe ich in Interaktionen mit Menschen jenseits meines Jobs?
3. Das eigene Guttun – inwiefern bin ich in der Lage, mir selbst etwas Gutes zu tun?
Wenn einer der Bereiche für sich alleine ein Gewicht von 60 % hat, entsteht eine Missbalance. Das ist nicht weiter schlimm, solange alles glatt läuft. Aber nehmen wir mal an, jemand engagiert sich mit jeder Faser seines Herzens für seinen Job. Er lässt in seinem Leben kaum Zeit für andere und noch weniger für sich selbst. Er zieht den größten Teil seines Selbstwertgefühls aus der Wertschätzung in seinem Beruf. Und aus dem Nichts verliert er seine Position, und obendrein wird ihm das noch wenig sensibel mitgeteilt. Dann kann das fatale Folgen haben.
Oder eine junge, erfolgreiche Frau stellt ihre beruflichen Ambitionen ganz hinten an, um sich mit voller Leidenschaft auf ein Leben als Frau und Mutter zu konzentrieren. An erster Stelle stehen immer andere. Wenn dann plötzlich im Privatleben etwas gründlich schief geht und sonst wenig übrig bleibt, kann das selbst einem starken Menschen den Boden unter den Füßen wegziehen.
Während ich ihm zuhörte, kam mir der Gedanke, dass eine gelebte Servicekultur auf den Selbstwert eines Mitarbeiters in allen drei Bereichen positiv einwirkt:
1. Empathischer und kluger Service machen einen Mitarbeiter groß.
Er wird in den Augen seiner Kunden zum Gewinner und bekommt Anerkennung zurück. Ein Mitarbeiter hat gar keinen Kundenkontakt? Macht nichts. Denn was nach außen gilt, gilt auch nach innen. Am meisten schätzen wir doch die Kollegen, die uns freundlich begegnen und tun, was sie sagen. Die, die immer die Möglichkeiten sehen und nicht die Hindernisse.
2. Service lacht.
Menschen, die eine echte Service-Haltung leben, knipsen ihre Haltung nach Feierabend nicht einfach wie das Licht aus. Sie versprühen ihre gute Laune auch im Privatleben. Auf sie können wir uns verlassen. Das sind genau die Menschen, die wir gerne um uns haben und in unser Herz schließen. Weil wir wissen, dass wir aufeinander zählen und miteinander Spaß haben können.
3. Von Herzen feiern.
Wer sich selbst etwas gönnt, kann anderen gönnen. Wer Lust hat, zu genießen, kann andere genießen lassen. Wer sich selbst überraschen kann, sorgt gerne für schöne Überraschungen. Wer das Leben feiern kann, feiert andere. Ein guter Anfang ist es, Erfolge zu feiern. Auch das ist Wertschätzung und immer Teil einer gelebten Servicekultur.
Starke Persönlichkeiten befeuern starken Service Menschen mit einem hohen Selbstwertgefühl leben Service uneigennütziger. Sie reißen sich keinen Zacken aus der Krone, wenn sie einen Schritt zurücktreten und jemand anderen glänzen lassen – ihren Kunden oder Kollegen. Menschen mit einem geringen Selbstwertgefühl hingegen behalten immer im Hinterkopf, selbst gut zu wirken. Ihre Servicebereitschaft ist oft opportunistisch geprägt, und das macht sie nicht sympathischer.
Diese Erfahrung machte ich bei einem unserer Mitarbeiter. Er versprühte immer dann Herzlichkeit und zeigte Engagement, wenn es ihn selbst ins Rampenlicht katapultierte – aber nur dann. Er hatte aus persönlichen Gründen ein geringes Selbstwertgefühl. Auch in meinem persönlichen Alltag spüre ich sehr genau, ob sich jemand für mich überschlägt, weil Service meine Profession ist und er sich daraus etwas erhofft – zum Beispiel eine positive Erwähnung im Blog oder eine 5-Sterne-Bewertung auf einer Plattform – oder weil er mir wirklich gerne etwas Gutes tut. Es erübrigt sich, zu erwähnen, welcher der beiden Antriebe echten Wert erzeugen.
Selbstwertgefühl und Service gehören ganz eng zusammen. Kunden wollen keine gehorsamen, buckelnden, opportunistischen Dienstleister mehr. Sie möchten auf Augenhöhe und echt mit einem Unternehmen kommunizieren. Selbstwert, Herzlichkeit und Authentizität wachsen dort, wo Wertschätzung gelebt und Spielräume geöffnet werden.
Führungskräfte tun gut daran, das Selbstwertgefühl ihrer Mitarbeiter zu kennen und die Balance der drei Bereiche zu begünstigen. Sie befeuern mit starken Persönlichkeiten erstklassigen Service. Und erstklassiger Service befeuert wiederum jeden Tag die Balance des Selbstwertes.