Wie ein 5000 Jahre alter Irrtum Service zerstört

Wenn ich über „Leadership“ spreche, wird mein Gegenüber oft spontan einen halben Meter größer. Spreche ich über „Service“, braucht es oft eine Weile, bis es über sich hinauswächst. Warum!? Ich habe lange darüber nachgedacht – und die Antwort in einer uralten Pyramide entdeckt…

Sobald wir es mit Menschen zu tun haben, sortieren wir sie in Pyramiden ein, und das seit 5.000 Jahren: Im alten Ägypten – oben der Pharao, unten die Sklaven. Im alten Amerika – oben Gutsherr, unten wieder Sklaven. Im alten Europa – oben die Adligen, unten Butler und Bauern. Heute sitzen oben auf der Pyramide zum Beispiel Sie, während sich ihr Lieferfahrradfahrer unten die Seele aus dem Leib strampelt, damit Ihre Pizza auch dann noch heiß ist, wenn er Ihr Büro gefunden hat. Unsere Wahrnehmung sagt also: Boss = oben. Service = unten. Und das ist ein Misserfolgsfaktor.

Service ist nicht „das da unten“

Denn wirkt aus dieser Perspektive Service attraktiv? Spannend? Bringt Service Status? Eher nicht. Dass sich mein Gegenüber für ein Thema, dem fünftausend Jahre alter Staub an den Füßen klebt, spontan wenig begeistert, ist also wenig erstaunlich. Gleichzeitig wissen Sie so gut wie ich, dass die erfolgreichsten Player am Markt ganz klar die sind, die den besten Kundenservice bieten. Die stärkste Service-Haltung. Die besten Service-WOWs. Die spannendsten Customer Journeys. Also:

Wie kommen wir raus aus der Service-Unlust?

Mit einem Griff in den Giftschrank der Philosophie. Ganz hinten finden wir den Gedanken, dass die Bosse oben auf der Pyramide gar keine Bosse sein könnten, wenn sie keine MitarbeiterInnen mit Service-Haltung an der Basis hätten. Die da unten sind also nicht nur von denen da oben abhängig, sondern auch die da oben von denen da unten. Mit diesem Gedanken fällt schon mal ein bisschen Staub von den Füßen ab, und mit diesem Gedanken kann man jetzt Revolutionär werden. Muss man aber nicht. Man kann auch weiterdenken.

In der zeitgenössischen Philosophie ist die Idee entstanden, dass in jedem von uns eine Pyramide steckt. Ein „Oben“, dem es um Ruf, um Ehre, um Anerkennung geht. Und auch ein „Unten“, das genau dafür arbeitet. Aus freiem Willen. Zum Beispiel also: Aus Liebe zum Kunden.

Service-Haltung versus innerer Schweinehund

An dieser Stelle stoßen wir auf das Thema, das mir besonders am Herzen liegt: Service-Haltung. Das ist die Spitze der Pyramide in jedem von Ihnen. Die Lust auf Exzellenz. Die Freude an jeder gelungenen Begegnung. Den Bodensatz der Pyramide tragen Sie genauso in sich: das ist die Service-Unlust. Die Kunde-droht-mit-Auftrag-Alarmanlage. Die Kein-Bock-Sirene. Auch genannt: innerer Schweinehund.

Was heißt das jetzt für das Thema Service?

Es heißt: Zwei Irrtümer machen Service kaputt, die ich an dieser Stelle richtigstellen möchte.

  • Erstens: Nein, der Boss ist kein Pharao. Und wenn er sich aufführt wie ein Zampano, zum Beispiel als Boss eines Baumarkts, dann braucht er sich nicht zu wundern, wenn sich seine Teams lieber hinter Paletten verstecken, als Kunden zu bedienen. Je herrschsüchtiger der Zampano, desto mehr Latzhosen im toten Winkel.
  • Zweitens: Service ist nicht nur das, was „die da unten“ tun. Business IST Service. Überall. Auf jeder Hierarchieebene.

Was heißt das jetzt für Führungskräfte und Unternehmer?

Wieder zwei Dinge.

  • Erstens: Mitarbeitende nicht wie „die da unten“, sondern anerkennend behandeln. Sie sind das wichtigstes Kapital an der Kundenschnittstelle und dahinter.
  • Und, zweitens: Die Sache mit der inneren Pyramide erklären. Unten der Schweinehund, der alte Kundenvergrauler – der auch den eigenen Tag vermiest. Und oben die Lust auf Exzellenz, die auf Kunden so attraktiv wirkt, die sie zu leidenschaftlichen Brand-Lovern macht – und die auch die eigene Lust auf Service lebendig hält.

Wie attraktiv jeder einzelne Mensch im Unternehmen das Thema Service nun empfindet, erlebt und lebt, ist eben nicht nur eine Frage von „oben“ und „unten“, von Pyramide und Pizzaprivileg, von staubigen Füßen und Latzhosen – es ist auch eine persönliche Entscheidung. Für jeden Einzelnen. Und das meine ich, wenn ich sage:

Service ist kein Projekt. Service ist eine Haltung.

 

Bild: secretgarden / photocase.de