Service braucht nicht Zeit – Service ist Zeit

Der Blick von der Frühstücksterrasse auf das Meer um Ko Samui hat mich beseelt – aber es war nicht der Blick allein. Es war die Erfahrung, dass sich perfekte Organisation für den Kunden nicht busy-busy anfühlt, sondern still. Erfrischend still.

In meinem Lieblings-Retreat auf Ko Samui gibt es Handyempfang nur im Zimmer. Sonst nirgendwo. Da man auf einer sonnigen Insel in einem wunderschönen Retreat mit Blick auf das Meer niemals in seinem Zimmer ist, kommt man gar nicht in die Versuchung, Zeit mit dem Smartphone zu verbringen. Man schaut aufs Meer. Fünf Minuten. Und plötzlich ist man in einer anderen Welt.

Das Hotel ist spezialisiert auf besondere Treatments. Es war immer ausgebucht. Seit Corona muss es mit deutlich weniger Mitarbeitenden auskommen trotz gleichem Treatment-Angebot. Das heißt: toughes Zeitmanagement. Doch als Gast merkt man davon nichts. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nehmen sich Zeit, ihre Gäste in die Behandlungsräume zu begleiten. Manchmal über sehr viele Treppen nach oben durch den Garten. Sie sind physisch und mental absolut präsent, sie lassen sich ein auf diesen Menschmoment, der aus nichts weiter besteht als aus gemeinsamem Gehen. Ein gemeinsamer Rhythmus. Ohne Eile. Der Weg dauert, so lange er eben dauert.

Die Dinge dauern, so lange sie dauern

„Es geht nicht darum, dass wir zu beschäftigt sind, um in Ruhe ein Buch zu lesen“, sagte der britische Journalist und Zeitforscher Oliver Burkeman kürzlich in der SZ. Es geht darum, „dass Lesen eine Tätigkeit ist, die ihren eigenen Rhythmus hat, der sich der Beschleunigung verweigert und den wir nicht kontrollieren können. Lesen dauert nun einmal, so lange es dauert. Und es fällt uns zusehends schwer, das zu akzeptieren.“

Es dauert, bis man im Sarong auf der Liege liegt. Es dauert, bis die Füße mit einem Tuch gereinigt sind. Die Behandlung dauert 30, 60 oder 90 Minuten. Diese Dauer nicht künstlich in die Länge zu ziehen (Stichwort Friseur) und auch nicht gewinnorientiert zu stauchen (Stichwort Hausarzt), ist eine Kunst. Service ist eine Zeitkunst. Service braucht nicht Zeit. Service ist Zeit. Eine Zeit, die man fühlen kann.

Am Ende zählt auch auf Ko Samui die Performance. Treatments und Restaurant müssen laufen, auch mit deutlich weniger Mitarbeitenden als in den Vorjahren. Und sie laufen. Alles ist emsig, alles ist still, und man kommt endlich zur Ruhe, zum Denken, zum Lesen.

Zeit ist keine Ressource

„Wir haben nicht eine begrenzte Zeit, wir sind eine begrenzte Zeit“, dieser Satz von Burkeman hat mich berührt. „Wenn man das akzeptiert, dann beginnen einige Gewissheiten zu bröckeln: dass man Zeit wie eine Ressource betrachten kann, die getrennt von uns existiert. Dass man Zeit erkaufen kann, sie besitzen kann, sie verlieren kann.“

Für einen Moment hatte ich das Gefühl, in einer komplett anderen Welt zu sein. Jetzt bin ich wieder hier und meine Welt ist wieder die Alte. Aber ich habe mich verändert. Manchmal sitze ich hier an meinem Schreibtisch und schaue durch die große Schaufensterscheibe. Fünf Minuten…

Servicezeit kann Menschen verändern.

Kennen Sie das?