Teamentwicklung: Taugt ChatGPT als Teamcoach?

Schon die kostenlose Version von ChatGPT kann im Reklamationsmanagement unterstützen und im Konfliktmanagement ein wenig helfen. Was kann der Bot beim Thema Teamentwicklung? Ganz ehrlich: Mehr, als ich dachte…

Wer Service optimieren will, muss Personal entwickeln. Das beginnt oft mit einer schriftlichen Einladung – und da fängt der Zeitaufwand schon an. Wie genau formuliert man eine Mail, die potenzielle Teilnehmer freundlich einlädt, die aber auch klarmacht: Personalentwicklung ist kein „vielleicht“ oder „wer möchte“, sondern ein Muss für alle.

Ein verblüffend freundliches und professionelles Anschreiben erhalten Sie von ChatGPT zum Beispiel mit folgender Eingabe: „Schreibe bitte eine unternehmensweite E-Mail an alle Mitarbeiter mit der Bitte, dass sie ihre Skills-Profile bis zum Datum XY aktualisieren. Wir möchten auf dieser Grundlage unser Personalentwicklungsprogramm aufsetzen. Absender des Briefs ist Steffi vom HR-Team.“ (Die Idee zu diesem Thema stammt von hier). Probieren Sie es gerne aus – der Entwurf klingt prima.

ChatGPT ist kein Coach, klingt aber so

Nächstes Beispiel: In Ihrem Team geht es hoch her. Testweise fragen Sie ChatGPT: „In unserem sechsköpfigen Team haben sich zwei verfeindete Gruppen gebildet. Was können wir tun?“ Als Antwort bekommen Sie einen ausführlichen Sechs-Schritte-Plan, hier gekürzt:

  1. Identifizieren Sie das Problem
  2. Fördern Sie offene Kommunikation
  3. Schaffen Sie Raum für gegenseitiges Verständnis
  4. Setzen Sie klare Regeln und Erwartungen
  5. Fördern Sie Teamarbeit
  6. Treffen Sie Entscheidungen gemeinsam

Nun ja, das klingt logisch, ist aber erwartungsgemäß sehr unspezifisch. Es ist also sinnvoll, die Anfrage zuzuspitzen: „Spezifiziere für ein Physiotherapie-Team in Deutschland. Es ist ein weibliches Team, alle sind unter 26 Jahre alt.“ Antwort:

„Sensibilisieren Sie das Team für kulturelle Unterschiede: Da es sich um ein rein weibliches Team handelt, können kulturelle Unterschiede innerhalb des Teams auftreten. Es ist wichtig, dass alle Teammitglieder sich der Unterschiede bewusst sind und respektvoll miteinander umgehen.“

Ein Beitrag zum Brainstorming – warum nicht?

„Kulturelle Unterschiede“ – das kann ein Punkt sein, auf den man zuvor noch nicht geschaut hatte. Nicht nur die Service-Haltung von Mitarbeiterinnen aus Osteuropa kann sich stark von der Haltung der Kolleginnen aus den Niederlanden unterscheiden, aus Japan oder den USA. Kulturschockpotenzial steckt schon in der Differenz zwischen Niederbayern und Bottrop.

Dazu kommen die Haltungs-Unterschiede zwischen den verschiedenen Sinus-Milieus: Eine Mitarbeiterin aus dem „Neo-Ökologischen Milieu“ wird in ihren Kundengesprächen andere Schwerpunkte setzen als eine von Haus aus „konservativ-gehobene“ oder eine „konsum-hedonistische“ Kollegin. Diese Unterschiede prägen auch den Umgang intern. „In unserem Team sollten wir doch selbstverständlich alle…“ – dieser Satz kann von den Vertreterinnen der verschiedenen Milieus sehr verschieden beantwortet werden. Wenn sich jede absolut im Recht fühlt, geht es oft so schnell auf die Moral-Ebene, dass die Sicht auf „kulturelle Unterschiede“ sofort verstellt ist. Also: Danke ChatGPT, das war ein guter Hinweis. Wenn man nachrecherchiert, nachdenkt, reflektiert. Und trotzdem:

ChatGPT ist KEIN COACH, auch wenn er sich so anhört.

Teamentwicklung lässt sich an ChatGPT nicht delegieren. Der Chatbot kann aber wertvolle Diskussionspunkte liefern, wenn (!) man richtig (!) spezifiziert. Im nächsten Schritt lässt sich unser welearning-Prinzip anwenden: Teamdiskussion, Praxisreflexion, Entwicklungsaufgaben für alle. So kann das Programm tatsächlich ein wenig helfen, eine Reflexionskultur zu leben, die getragen ist von der Haltung:

Jeden Tag gemeinsam besser werden.

 

Bild: FemmeCurieuse / photocase.de